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083 - Das Gasthaus an der Themse

083 - Das Gasthaus an der Themse

Titel: 083 - Das Gasthaus an der Themse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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hatte sich verändert, und darüber war er ehrlich verblüfft. Zuerst erschrak er und dachte, sie habe Fieber. Er ahnte nicht, daß Lila während der letzten vierundzwanzig Stunden viel nachgedacht und das Durcheinander in ihrem Innern geordnet hatte. Er konnte daher auch nicht wissen, daß er jetzt für sie der wichtigste Mensch auf der Welt war. Denn genau das war ihr im Lauf der Nacht völlig klargeworden, in der nur eine unermüdlich tickende Uhr ihr Gesellschaft geleistet hatte. »Warum waren Sie nicht schon heute morgen bei mir?« fragte sie. Wade staunte über den vorwurfsvollen Ton in ihrer Stimme. »Ich habe geschlafen«, antwortete er unsicher. »War die ganze Nacht wach - wegen der Überschwemmung und so ...« Sie nickte. »Das dachte ich mir schon«, sagte sie. Es folgte eine Pause, die auf Wade merkwürdig beklemmend wirkte. Es gefiel Lila, daß er so verlegen war, und sie genoß auf sonderbare Weise das Gefühl ihrer neuen Überlegenheit. »Wie geht es Ihrem Bein? Alice« — das war die Frau des Sergeants — »hat mir gesagt, es sei keine schwere Verletzung.« Sie zog fröstelnd die Schultern zusammen. »Das Ganze kommt mir jetzt wie ein schrecklicher Alptraum vor. Gräßlich!« Sie war auf die unerfreuliche Wirklichkeit zu sprechen gekommen und fürchtete um ihre glückliche Stimmung. »Warum haßt man Sie eigentlich so?« fragte sie. »Wer haßt mich?« Sie zögerte. »Nun ja, Mrs. Oaks und — und alle eben. Warum?« Ihre Stimme hatte einen Unterton von Verzweiflung. Sie wußte, daß es nur eine Antwort gab, hatte die Frage aber in der leisen Hoffnung gestellt, von ihm doch noch etwas Tröstliches zu hören. Als er nichts sagte, fuhr sie fort: »Sind sie denn alle schlecht? Auch Mrs. Oaks? Und - wie schlecht bitte? Sagen Sie mir die Wahrheit, John... Hoffentlich haben Sie nichts dagegen, wenn ich Sie so nenne? Oder ist Ihnen Jack lieber?«
    Das war tatsächlich eine veränderte, eine völlig neue Lila Smith. Sie war weder verwirrt noch unsicher, noch verlegen. Die großen graublauen Augen sahen ihn unverwandt an, sie schlug sie nicht mehr so scheu nieder wie früher. »Jack oder John — nennen Sie mich, wie Sie wollen, meine Liebe. Ja, sie sind alle ziemlich schlecht — gefährlich. Ich weiß nicht, wie sehr, aber ich vermute Schlimmes. Hören Sie, Lila, haben Sie sie je über den Pattison-Treuhandfonds reden hören?« »Über einen Treuhandfonds?« wiederholte sie rasch. »Ja — wie hieß er doch gleich? Pattison? Nein, den Namen habe ich nie gehört. Aber über einen Treuhandfonds haben sie gesprochen. Der Lord — Lord — ich habe seinen Namen vergessen ...« »Siniford?« Lila nickte. »Er sprach davon. Golly — Mr. Oaks — war dabei, außerdem Mrs. Oaks und noch ein Mann. Ich glaube, es war Lane. Er ist immer fürchterlich parfümiert. Ich habe gehorcht. Das ist schrecklich gemein, ich weiß. Aber es war Ihretwegen — ich meine, ich wollte unbedingt wissen, was sie mit Ihnen ... Weil.. .« »Weil?« drängte er, als sie sich unterbrach. »Ach, ich weiß auch nicht - einfach weil. Der Treuhandfonds? Er hatte etwas mit einer Bank zu tun — der ›Medway Bank‹. Ich hörte Lane ›Medway Bank« sagen. Ich glaube, er hat sich den Namen notiert. Sie ist in der City, in einer dieser alten Straßen mit seltsamen Namen — Luffbury...« »Lothbury«, warf Wade schnell ein.
    »Ja, das ist möglich.« Lila nickte. »Der Treuhandfonds hat irgend etwas mit dieser Bank zu tun. Lane sagte außerdem noch etwas über ›die Graveure‹. Können Sie sich darunter etwas vorstellen?«
    Er schüttelte den Kopf. »Im Moment noch nicht.« Sie legte die Hand auf die seine und sah ihn lachend an. »Mit der Zeit werde ich noch eine richtige Detektivin, nicht wahr?« sagte sie.
    Es war eine freundschaftliche Geste, doch in ihm stieg eine Erregung auf, wie er sie noch nie empfunden hatte. »Wenn Sie einen Detektiv heiraten«, sagte er rauh und zerdrücke ihr fast die Hand.
    Sie löste sich sehr sanft aus der Umklammerung. Sie war nicht erschrocken, noch nie hatte er sie so selbstsicher erlebt. Erstaunlicherweise war sie es, die über der Situation zu stehen schien.
    »Ich sorge mich um so viele Dinge«, sagte sie. »Um das ›Mekka‹ und die Leute, die dort verkehren. Es ist kein Verrat, wenn ich Ihnen das sage. Ich kann nicht auf beiden Seiten stehen, nicht wahr? All das ist ja nur passiert, weil ich versucht habe, es allen recht zu machen. Was will dieser Mann von mir?« Sie zeigte auf einen Blumenstrauß,

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