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083 - Das Gasthaus an der Themse

083 - Das Gasthaus an der Themse

Titel: 083 - Das Gasthaus an der Themse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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ungewöhnliche Milde walten. »Das sind raffinierte Kerle«, sagte der Superintendent. »Sie haben offenbar versucht, den Tresorraum zu öffnen, und festgestellt, daß sie es nicht konnten. Es war ein Geniestreich, den Direktor in die Bank zu zitieren. Daß Sie dazukamen und Mr. Wilson Sie kannte, war natürlich einfach Glück. Es gab dem Ganzen einen seriösen Anstrich. Ein Beamter der City Police hat diesen Cardlin, wie er sich nannte -kein schlechter Name übrigens —, überprüft, und der hat ihm einen Ausweis von Scotland Yard unter die Nase gehalten. Nein, wir geben Ihnen keine Schuld, Inspektor, aber wir möchten so bald wie möglich Aikness und Oaks sprechen.«
    »Ich habe Oaks vor zwanzig Jahren recht gut gekannt«, sagte einer der Vier. »Damals war er der gerissenste Hehler im East End von London, er muß ein Vermögen verdient haben. Ein kluger kleiner Kerl — er spricht fünf oder sechs Sprachen.« Wade sah ihn erstaunt an. »Oaks?« fragte er ungläubig. »Ich hielt ihn immer für einen Analphabeten.« »Also das ist er ganz bestimmt nicht«, sagte der Polizeidirektor. »Er hat nur eine einzige Schwäche. Er glaubt, eine schöne Stimme zu besitzen, und hat Hunderte — vermutlich sogar Tausende — ausgegeben, um sie ausbilden zu lassen. O ja, er spricht ein entsetzliches Cockney-Englisch. Aber ich habe mir sagen lassen, Französisch und Deutsch beherrsche er wie ein Gebildeter.« Das war ein ganz anderer Golly Oaks als der, den Wade kannte, und der Inspektor war so beeindruckt, daß er am Nachmittag das »Mekka« aufsuchte. Er kannte Oaks' Zimmer und hatte es einmal flüchtig durchsucht. Inzwischen war er der Meinung, daß es sich bezahlt machen könnte, es sich gründlich anzusehen.
    Es war ein großer Raum über dem Kohlenkeller und ziemlich dunkel, denn er hatte nur ein einziges kleines Fenster, das Licht und Luft hereinließ. Ein schmales Eisenbett, ein großer Bücherschrank, vollgestopft mit broschierten Bänden, eine alte Stehlampe und ein zerschlissenes Sofa, das war beinahe das gesamte Mobiliar. Wade fiel auf, daß man keinen einzigen Buchtitel sah. Die Bücher waren in sorgfältig zurechtgeschnittene Schutzhüllen eingeschlagen, und entweder wußte Oaks auswendig, wo jedes einzelne stand, oder er ärgerte sich beim Suchen halbtot. Doch die kleine Bibliothek wies, wie Wade feststellte, eine methodische Ordnung auf. Der erste Band war ein Neues Testament in Griechisch, und das traf Wade fast wie ein Schock. Ein halbes Dutzend Bücher befaßten sich mit Kriegsstrategie. Sie schienen unzählige Male gelesen worden zu sein, denn die Ränder waren mit Bleistiftnotizen übersät, viele davon unleserlich. Die nächste große Gruppe bestand aus Büchern über Musiktheorie. Ein dicker Band hatte die Technik des Gesangs zum Thema, und die restlichen Bücher waren Reisebeschreibungen oder philosophische Werke in Deutsch, Spanisch, Französisch und Italienisch. Eine Ausgabe von Cäsars Kommentar zum Bürgerkrieg in lateinischer Sprache fand sich ebenfalls. Daneben stand noch ein zerlesenes Lehrbuch des Ungarischen. Auf dem kleinen Schreibtisch in der Ecke und auf dem Fußboden rundherum waren unzählige Tintenkleckse. Offenbar schrieb Golly Oaks viel, war dabei aber sehr unordentlich. In einer Schreibtischschublade machte Wade eine weitere Entdeckung. Dieser erstaunliche Mensch befaßte sich auch mit Astrologie — da gab es astrologische Tabellen, halbfertige Horoskope, und der Inspektor vermerkte höchst interessiert, daß auf einem Blatt sein Name stand. Da Oaks jedoch nicht über die erforderlichen genauen Angaben verfügte, hatte er das Horoskop nicht erstellen können. Wade erinnerte sich jedoch, daß der kleine Mann sich einmal sehr eingehend nach seinem Geburtsdatum und seiner Geburtsstunde erkundigt hatte. Golly Oaks war wirklich ein merkwürdiger und ungewöhnlicher Mensch. Wade fand keinerlei Hinweis auf seine finanzielle Lage. Kein Sparbuch, keine Kontoauszüge. Wenn er vor zwanzig Jahren ein reicher Mann gewesen war ...
    Er rollte den Teppich zusammen, untersuchte Zentimeter für Zentimeter den Fußboden, klopfte die Wände ab, fand jedoch kein Geheimversteck. Er schüttelte den Kopf. Dieser Golly Oaks war doch der Rätselhafteste von allen. Dann stieß er auf etwas, das ihm bei seinen Ermittlungen ein großes Stück weiterhelfen sollte. Es war ein kleines, nichtssagendes Buch mit Goldschnitt und einer Widmung auf dem Vorsatzblatt: »Für G. H. Oaks von seinem Chef William Deans. ›Das

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