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083 - Das Gasthaus an der Themse

083 - Das Gasthaus an der Themse

Titel: 083 - Das Gasthaus an der Themse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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nahm eine Packung billiger Zigaretten aus der Tasche, wählte mit der Sorgfalt eines Kenners eine und zündete sie an. »Die Polizei hat sie in den Tod getrieben — und ganz besonders Inspektor Wade.«
    Lila war wie betäubt. Sie hätte gern größere Trauer empfunden, versuchte, sich an Augenblicke zu erinnern, in denen sie und Mutter Oaks einander nahe gewesen waren, doch es gelang ihr nicht. »Natürlich bleibe ich nicht allein, Lila«, sagte Oaks. »Ich bin in den besten Jahren, wie man zu sagen pflegt, und ich möchte mir ein Heim schaffen — in Südamerika zum Beispiel — Blumen, blaue Seen, Häuser aus kühlem Marmor, überall Rosen — ach, du weißt schon . . .« Sie war zu bestürzt, um antworten zu können. »Ich bin drei — nun ja, vielleicht auch vierundvierzig, ich weiß es nicht so genau«, fuhr er fort. »Ein Mädchen könnte es schlechter treffen als mit mir.«
    »Aber das ist ja schrecklich!« Lila fand plötzlich wieder in die Wirklichkeit zurück. »Tante Oaks — tot! Ja, hat dich das denn nicht furchtbar aufgeregt?« »Ja, furchtbar«, antwortete Oaks und fing an, leise vor sich hinzupfeifen.
    Lila wollte von etwas anderem sprechen. »Wohin fahren wir?« fragte sie.
    »Nach London. Ich habe dort ein paar Wohnungen — im Arbroath Building. Schon mal davon gehört? Wahrscheinlich nicht. Ein hübsches Haus, Bäder, Warmwasser, wirklich hübsch. Ich hätte mich gleich dorthin zurückziehen sollen, aber wer konnte ahnen, daß die Polente die beiden Kähne aufstöbert. Es hat ein Jahr gedauert, bis sie nach meinen Wünschen umgebaut waren. Ich habe es in Holland machen und sie dann hierhersegeln lassen. Zweitausendsechshundert Pfund hat mich jeder Kahn gekostet, das ist viel Geld für so ein Boot. Aber welche Voraussicht ich damit bewiesen habe!
    Nebenbei, Voraussicht war immer meine Stärke. Ich wußte, daß sie früher oder später über die ›Seal of Troy‹ stolpern würden. Ich wußte, daß ich die Besatzung vielleicht von einer Minute zur anderen von Bord holen mußte.« Wieder kamen sie an eine Hauptstraße, bogen ab, umfuhren Windsor und kamen bei Runnymede ans Themse-Ufer. Bald darauf hatten sie Staines hinter sich gelassen und fuhren ein langes Teilstück der Great West Road entlang. Der Nebel hatte sich inzwischen aufgelöst, und als sie Shepherd's Bush erreichten, regnete es. Auf der West Road erlebte Golly Oaks einen gewaltigen Schreck. Zwei Wagen, die vor ihnen fuhren, wurden von der Polizei angehalten. Ihre Limousine durfte jedoch unbehelligt passieren. Der steif neben dem Chauffeur sitzende Diener und das Wappen am Wagenschlag bewahrten Oaks vermutlich vor einer entweder demütigenden oder verhängnisvollen Erfahrung. Das Arbroath Building war ein allein stehender Block — ursprünglich eine Munitionsfabrik, die im letzten Kriegsjahr errichtet worden war. In Friedenszeiten hätte keine Baubehörde die Pläne für ein so häßliches Bauwerk genehmigt. Das Erdgeschoß war zu einer großen Garage und zu einer Ladenzeile umgebaut worden. Die Garage hatte Bankrott gemacht, die Lädchen ihre Mieter verloren, und der Besitz war dreimal zum Verkauf angeboten worden, ehe ein unbekanntes Syndikat hn erwarb. Die beiden oberen Stockwerke wurden anfangs vermietet, doch die Leute hatten sich standhaft geweigert, Miete zu bezahlen, und das Syndikat hatte sie hinausgeworfen. Die Garage wurde neu eingerichtet, aber nie wieder benutzt, die Wohnungen standen leer.
    Wahrscheinlich wegen der viel zu hohen Miete. Dem Syndikat war es egal. Es möblierte ein paar Wohnungen, versah die Fenster der übrigen mit Vorhängen und schien damit zufrieden, Geld zu verlieren. Es war leicht, in der Garage einen Stellplatz zu bekommen. Viele Taxibesitzer wären froh gewesen, den großen Hof oder die Garagenboxen benutzen zu dürfen, doch sie wagten es nicht. Ein oder zwei Privatautos standen immer da, aber alles in allem betrachtete man das Gebäude als Unglückshaus, und in ganz Notting Hill wurde schon gemunkelt, auch die neuen Besitzer stünden vor der Pleite. Was absolut nicht zutraf. Oaks und Lila gingen durch die Garage zum Lift und fuhren ins obere Stockwerk hinauf. Sie betraten eine kleine Wohnung, die zwar nicht besonders schön, aber ordentlich möbliert war. Allerdings roch es ein bißchen muffig, weil die Räume lange nicht benutzt worden waren. »Das war wieder einmal eine weise Voraussicht«, sagte Oaks. »Ich habe das ganze Gebäude für achttausend Pfund gekauft. Es ist für meine Zwecke

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