Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
083 - Das Gasthaus an der Themse

083 - Das Gasthaus an der Themse

Titel: 083 - Das Gasthaus an der Themse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
Vom Netzwerk:
gerauchte Zigarre zwischen den Zähnen, bei einem Glas Whisky saß.
    »Sie ist wieder in Ordnung«, sagte Oaks.
    Captain Aikness stand auf, blickte in den Spiegel und betupfte sich mit dem Taschentuch einen noch immer leicht blutenden Kratzer auf der Wange.
    »Ich war darauf nicht vorbereitet«, sagte er.
    »Sie war auf dich nicht vorbereitet«, antwortete Oaks scharf.
    »Ich sagte dir doch, daß Verrückte ein gutes Gedächtnis haben.«
    »Sie hat sich sehr verändert«, sagte Aikness. »Damals war sie ein hübsches Mädchen.«
    Oaks knurrte etwas vor sich hin, schenkte sich einen Whisky ein und verdünnte ihn mit Soda.
    »Du warst ja auch mal ein hübscher Kerl, nicht wahr, Aikness?
    Denn wärst du's nicht gewesen, hättest du nicht den Auftrag bekommen, Kindermädchen den Kopf zu verdrehen. Im Moment haben wir niemanden, der gut aussieht.« »Sie war wirklich hübsch«, wiederholte Aikness nachdenklich. »Ich war ziemlich verrückt nach ihr, und sie war die einzige intelligente Hausangestellte, der ich je begegnet bin. Was willst du wegen Lane unternehmen?« Golly zündete sich eine Zigarette an und rauchte lange, ohne ein Wort zu sagen. Endlich blickte er auf. »Wir holen ihn raus«, erklärte er.
    »Glaubst du, daß er singt?« fragte Aikness. Diesmal antwortete Oaks so lange nicht, daß der Captain glaubte, er habe die Frage nicht gehört. Er wiederholte sie.»Nein, der singt nicht«, antwortete Oaks, aus dem Fenster blickend. »Aber ich kenne ein paar andere, die's vielleicht tun werden.«
    Captain Aikness zwang sich zu einem Lächeln. »Also ich bestimmt nicht, Golly. Ich stecke zu tief drin in der Sache.« »Mutter Oaks steckte mindestens genauso tief drin, und doch wollte sie uns verpfeifen«, entgegnete Oaks kurz. Es folgte wieder ein langes, bedrückendes Schweigen, bis Aikness schließlich sagte: »Lila ist ein ziemliches Problem.« »Meinst du?« erkundigte Oaks sich kühl. »Lila ist durchaus kein Problem, sie wird heiraten und Kinder kriegen und sich um nichts anderes kümmern. Aber sie wird auf keinen Fall einen Seemann heiraten.«
    Er legte die verschränkten Arme auf den Tisch und beugte sich vor. »Ich habe dir immer deinen Willen gelassen, bin auf deine Wünsche eingegangen«, sagte er. »Ich habe dich sogar den lieben Papi spielen lassen, du durftest Lila ausführen und ihr hübsche Sachen kaufen, aber merk dir eins - du bleibst auch in Zukunft der Papi. Mutter fand immer, es sei albern, das Mädchen mit dir zum Essen gehen zu lassen, wenn du von einer langen Seereise zurückkamst, aber Mutter war nie vorausschauend — deshalb ist sie jetzt auch tot. Ich bin vorausschauend.« Er tippte sich mit dem Finger auf die Brust. »Ich wußte nicht, daß Lila eines Tages so viel Geld haben würde, aber ich wußte, daß sie eine geborene Dame war und uns früher oder später sehr nützlich sein konnte. Deshalb war ich der Meinung, sie könne die feine Lebensart nicht früh genug kennenlemen. Aber sie wird nicht irgendeinen Papi heiraten, und für die eine Million sechshunderttausend Pfund, die sie erbt, wirst du dir keinen palacio in Rio bauen.« Die beiden Männer starrten sich sekundenlang an, und in Aikness' Augen schwelte ein Haß, den er nicht einmal zu verbergen suchte. Oaks' Augen waren kalt, gefühllos, tödlich. »Ich weiß nicht, wie das alles enden wird«, fuhr er fort, »aber die Bullen sollen von mir einen Denkzettel bekommen, den sie nie vergessen werden. Ich könnte ganz unauffällig aus London verschwinden, Aikness, und du auch. Doch ich habe eine andere Vorstellung von wirklicher Größe.« Er schlug sich wieder auf die Brust. »Ich bin groß. Ich war immer groß. Zehn Jahre lang habe ich alle möglichen kleinen Dinger gedreht, um das Geld für dieses eine zusammenzukriegen. Ganz allein habe ich die ›Bank von Lyon‹ geknackt, um dein Schiff kaufen zu können. Ich habe London durchorganisiert wie ein General. Ich kenne jeden Weg, der herein- und jeden der hinausführt. Ich kenne fast dreitausend Bullen — und wenn ich von hier verschwinde, dann mit einem Donnerschlag. Wenn alles vorbei ist, werden wir beide über Lila reden. Aber falls du glauben solltest, das Problem könnte vorher gelöst — und auf eine Art gelöst werden, die mir nicht gefällt, dann gebe ich dir einen Rat: Zieh deine Pistole und knall mich ab, bevor ich dich umbringe.«
    Aikness schien in seinem Sessel zusammenzuschrumpfen, seine Lippen zuckten. Dieser große, kräftige Mann war feige. Niemand wußte das besser

Weitere Kostenlose Bücher