083 - Der Tod trägt eine Maske
Trauer wäre sie gestorben. Aber ihr Tod würde das Reich der grünen Schatten nicht retten.
»Ich hätte Lust, dich mit meinem Schwert zu durchbohren«, knurrte Cassemock.
Sie öffnete ihr Auge und blickte ihn furchtlos an. »Warum tust du es nicht?«
»Weil du schön bist, weil ich dich begehre, weil ich dich besitzen möchte…«
»Du kannst höchstens meinen Körper besitzen, aber niemals mein Herz«, sagte Ragu stolz.
»Das genügt mir«, erwiderte der Markiase. »Ich werde dich demütigen, werde deinen Stolz brechen. Du wirst mir bald aus der Hand fressen und dich mit deinem Schicksal abfinden.«
Schrecklich gern hätte sie es noch einmal versucht, aber Cassemocks Arm war durch das Schwert verlängert. Sie wäre nicht an ihn herangekommen.
Er rief seine Wachen.
Diese Schmach! Ragu wollte sich nicht abführen lassen. Wenn sie Cassemock schon nicht töten konnte und wenn er ihr das Leben nicht nahm, dann wollte sie es selbst tun. Das war immer noch besser, als diesem dreiarmigen Satan auf Gedeih und Verderb ausgeliefert zu sein.
Blitzschnell setzte sich die Prinzessin den Dolch an die Brust, aber die Wachen ließen es nicht zu, daß sie sich tötete. Sie überwältigten sie, entwanden ihr den Dolch, und Cassemock lachte sie höhnisch aus.
»Du darfst das Leben, das ich verschont habe, doch nicht so einfach wegwerfen. Du wirst noch gebraucht, Prinzessin.«
»Ich hasse dich!« schrie Ragu und versuchte sich verzweifelt loszureißen. »Ich verachte dich!«
Sie spuckte dem Markiasen ins Schattengesicht, und er schlug sie dafür hart. Sie wäre gestürzt, wenn die Wachen sie nicht festgehalten hätten.
»Bringt sie fort!« befahl Cassemock rauh. »Sperrt sie ein! Und sorgt dafür, daß sie nicht fliehen kann!«
Die Männer rissen Ragu herum und zerrten sie mit sich. Ragu wehrte sich aus Leibeskräften, doch die Wachen waren stärker als sie. Die Prinzessin schrie, doch niemand eilte ihr zur Hilfe. Dies war nicht mehr ihr Palast. Cassemock hatte ihn übernommen, und es geschah nur noch das, was er anordnete.
Sie warfen die Prinzessin in ein finsteres, fensterloses, muffiges Loch, und damit sie keinen Fluchtversuch unternehmen konnte, fesselten sie sie. Dann knallten sie die Tür zu, und Ragu war allein.
Jetzt schien ein Damm in ihr zu brechen - sie weinte, weinte, weinte… Sie schien sich in Tränen aufzulösen und war so unglücklich wie noch nie in ihrem Leben.
***
Ugar, von dem Dämon besessen, stürzte sich auf Fodda, um ihn zum Schweigen zu bringen. Der hypnotisierte Auserwählte sollte nichts mehr verraten können. Alcarrax machte Ugar zu seinem verlängerten Arm, zu seinem strafenden Werkzeug.
Pater Severin wollte den Mord verhindern. Er sprang vor. Doch wir waren derart perplex, daß wir uns einander behinderten. Nichts schien Fodda retten zu können.
Da griff Scarpatt geistesgegenwärtig ein. Mit einem kraftvollen Stoß beförderte er Fodda aus dem Gefahrenbereich und damit auch aus Mr. Silvers Hypnofeld.
Fodda kam zu sich. Bestimmt begriff er nicht, was im Gange war. Er wußte garantiert auch nicht, was er uns allen verraten hatte. Er sah nur eine Möglichkeit, einen abermaligen Fluchtversuch zu starten, fuhr herum und rannte los, während wir uns alle auf Ugar warfen.
Er war stark. Starker, als es normal gewesen wäre. Alcarrax verlieh ihm zusätzliche Kräfte. Wir konnten ihn kaum bändigen. Es ging drunter und drüber, und es war fast unmöglich, ihm das Schwert zu entwinden.
Erst als Pater Severin seine Faust mit dem Kruzifix berührte, jaulte Ugar wie ein verletzter Wolf auf und ließ das Schwert los.
Mr. Silvers Magie brachte Ugar zur Räson, befreite seinen Geist vom dämonischen Einfluß und ließ ihn ruhig werden. Der bläuliche Schimmer war nicht mehr zu sehen. Alcarrax hatte keine Gewalt mehr über unseren Freund.
Er starrte uns verwirrt an und konnte im ersten Augenblick gar nicht verstehen, wieso wir ihn alle festhielten. »Ich habe nichts davon gemerkt«, sagte er heiser. »So leicht kann Alcarrax uns beeinflussen? Dann… darf von jetzt an keiner mehr dem andern trauen!«
»Fodda!« rief Pater Severin in diesem Moment, und wir hörten das dumpfe Schlagen von Pferdehufen.
Wir brauchten ihn noch. Er hatte noch nicht auf alle Fragen geantwortet. Einer von uns mußte ihn zurückholen. Ich wartete nicht, bis irgend jemand es tat, sondern rannte zu meinem Schattenpferd, sprang in den Sattel und trieb das Tier hinter dem Fliehenden her.
Mein Pferd war schneller. Ich holte
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