083 - Der Tod trägt eine Maske
antwortete Fodda.
»Was bedeutet das für Cassemock?« fragte ich.
»Er bekommt von Alcarrax ewiges Leben.«
»Offiziell wird Prinzessin Ragu weiter in diesem Reich regieren«, sagte ich. »Aber was sie anordnet, wird von Cassemock kommen. Ist das richtig?«
»Ja«, bestätigte Fodda.
»Das wird Ragu niemals tun!« warf Ugar aufgeregt ein.
»Wenn sie sich weigert, wird Cassemock sie töten«, sagte Fodda. »Niemand kann ihn daran hindern.«
»O doch, ich kann!« rief Ugar leidenschaftlich aus. »Ich bin nicht tot! Ich lebe !«
»Cassemocks Leute bewachen jetzt den Palast«, sagte Fodda.
»Sind auch sie Auserwählte?« fragte ich.
»Nein. Sie wären es gern, und Cassemock machte ihnen die Hoffnung, daß sie eines Tages zu uns gehören könnten. Aber das stimmt nicht. Der Kreis der Auserwählten läßt sich nicht vergrößern.«
Die Gefahr, die der Prinzessin drohte, machte Ugar halb verrückt. »Ich muß zurück«, keuchte er. »Ich muß zu Ragu. Sie braucht meine Hilfe.«
»Besser, du bleibst bei uns«, sagte ich. »Ich kann deine Sorge verstehen, aber allein kämpfst du auf verlorenem Posten. Ohne Hilfe kommst du nicht an Ragu heran. Wahrscheinlich schaffst du es nicht einmal, in den Palast zu gelangen, und wenn doch, werden dich Cassemocks Leute gefangennehmen oder gleich töten. Vielleicht ließ Cassemock seine Maske noch nicht fallen.«
»Aus welchem Grund sollte er Ragu noch länger etwas vorspielen? Wir sind alle fort. Er wird sich zu erkennen geben, und Ragu wird ihn zu töten versuchen. Wenn es ihr nicht gelingt… Ich wage nicht an die Folgen zu denken, Tony.«
»Wir werden dir beistehen, Ugar«, versprach ich dem Freund. »Aber nicht sofort. Zuerst müssen wir Alcarrax vernichten.«
»Das gelingt uns nie! Ihr habt gesehen, wie mächtig er ist.«
»Ihr habt uns geholt, damit wir es versuchen«, sagte ich eindringlich. »Jetzt laß es uns auch tun! Zugegeben, Alcarrax ist mächtig, aber er ist nicht allmächtig ! Der Beweis dafür ist, daß wir noch am Leben sind.«
»Die Sorge um Ragu bringt mich um den Verstand, Tony. Kannst du das nicht verstehen?«
»Natürlich kann ich das. Aber es hat keinen Sinn, übereilt zu handeln. Wir müssen das Wichtigste zuerst erledigen.«
»Für mich gibt es nichts Wichtigeres als Ragu. Ich liebe sie!« rief Ugar leidenschaftlich aus.
»Soll das Reich der grünen Schatten an deiner Liebe zerbrechen? Soll es wegen deiner Unvernunft dem puppenköpfigen Dämon in die Hände fallen? Glaubst du, daß Ragu auch so egoistisch denkt?«
Der Darganese senkte beschämt den Blick. »Du hast recht, Tony«, gab er kleinlaut zu. »Unsere Liebe darf nicht vor dem Reich der grünen Schatten kommen. Das würde Ragu niemals billigen. Für dieses Reich ist sie bereit, jedes Opfer zu bringen und… ich auch.«
Ich war froh, daß sich Ugar besonnen hatte. Ich wandte mich wieder dem Sektierer zu.
»Wo ist Alcarrax in diesem Augenblick?« fragte ich den Auserwählten. »Weißt du es?«
Fodda schüttelte den Kopf. »Nein.«
»Was ist mit den Gezeichneten geschehen?« wollte ich wissen.
»Der Höllensturm hat sie von den Holzkreuzen gerissen«, antwortete Fodda.
»Das wissen wir. Aber wohin sind sie verschwunden?«
»Alcarrax hat sie fortgeholt. Sie werden sterben.«
Ich horchte auf. »Sie werden sterben? Willst du damit sagen, daß sie noch leben?«
»Ja, noch . Aber der Tod ist ihnen gewiß.«
In Ugars grünem Schattengesicht war auf einmal ein bläulicher Schimmer, und seine Züge verzerrten sich. Wir alle hatten uns Fodda zugewandt, und niemandem fiel die Veränderung auf.
Sekunden später brach die Hölle los. Alcarrax hatte Einfluß auf unseren Freund genommen. Ugar riß das Schwert aus der Scheide, richtete es gegen Fodda und brüllte: »Stirb, Verräter!«
***
Sie hielt immer noch den kleinen Dolch in ihrer Hand, aber sie wußte, daß sie Cassemock damit nicht mehr gefährlich werden konnte. Sie glaubte zu wissen, daß er sie töten würde, und schloß mit ihrem Leben ab.
Mit Güte und Verständnis, Klugheit und Gerechtigkeit hatte sie im Reich der grünen Schatten geherrscht. Für Dargan und Markia hatte sie jedes Opfer gebracht. Und nun… Es würde alles anders werden in ihrem geliebten Reich. Bedenkenlos würde Cassemock ihr Werk zerstören und einen Kurs ins Verderben einschlagen.
Eine Träne quoll aus Ragus Auge. Sie weinte um ihr Reich, um Ugar, um all ihre Freunde, aber nicht um sich. Wenn sie mit ihrem Tod doch nur etwas hätte ändern können. Ohne
Weitere Kostenlose Bücher