0830 - Das Vampirloch
sie sich an den Händen fest und blickten sich um.
»Wohin jetzt?«
Eddy lächelte. »Spürst du den Drang? Halte dein Gesicht in den Wind. Er wird uns ein Zeichen geben.«
»Ja, das ist wahr.«
Sie gingen weiter. Hin und wieder gestört vom Blitzlicht der fotografierenden Touristen, aber das war ihnen alles egal. Für sie allein zählte das große Ziel.
Das Vampirloch mußte hier irgendwo sein. Sie hatten die schmalen Straßen und Gassen genommen.
Es waren Bäume gepflanzt worden, die längst ihr Kleid aus Blättern verloren hatten. Neben den Stämmen lag das braune Laub wie ein dicker Teppich.
Vor einem alten Haus blieben sie stehen. Es lag in einer Gegend, in die sich nicht zu viele Touristen verirrten. Sie schauten an der Fassade hoch, die von Efeuranken bedeckt war. Die Blätter hatten einen winterlichen Glanz aus Rauhreif erhalten und ihn den gesamten Tag über behalten.
»Ist es dort?« fragte Glenda.
Eddy schüttelte den Kopf. »Nein, wir müssen noch an dem Haus vorbei, aber an der Seite.«
»Das geht nicht.«
»Doch.« Eddy zog sie weiter, und Glenda sträubte sich auch nicht. Der Mann zeigte ihr plötzlich einen schmalen Weg, der nur für Fußgänger gedacht war und seitlich am Grundstück entlangführte.
Zwei sich schräg gegenüberstehende Gitter ließen nur eine schmale Lücke zu, durch die sich die beiden wenden mußten.
Unter ihren Füßen zerknirschte das hart gefrorene Laub. Rechts von ihnen stand ein altes Haus, höher als das andere. Eine graue Fassade wirkte abstoßend. Es wirkte unbewohnt, wahrscheinlich nur von der Seite her, ansonsten mußten auch dort Menschen leben.
Sie erreichten einen Hinterhof. Ein Gelände, das irgendwie anders war. Es standen keine Müllkübel herum, aber das graue Haus auf der rechten Seite wurde hier durch einen tieferen Anbau gestützt, der ebenfalls grau war, nur winzige Fenster hatte, durch deren Scheiben niemand schauen konnte, aber trotzdem das richtige Ziel präsentierte, denn das sahen beide anhand der Tür.
Sie bildete nicht nur den Eingang, sondern auch den Mittelpunkt, und sie war wegen ihres Anstrichs einfach nicht zu übersehen, denn man hatte die Tür in einem dunklen Rot gestrichen, das die Farbe von Menschenblut aufwies.
»Wir sind da!« hauchte Eddy. Er umfaßte Glendas Hand und drückte sie leicht.
»Ich freue mich.«
»Du merkst den Drang?«
»Stark, sehr stark. Meine Beine möchten von allein laufen. Sie wollen sich in Bewegung setzen. Sie haben es schwer, auf der Stelle stehen zu bleiben.«
»Das ist gut.«
»Willst du?«
»Sofort.«
»Ich auch.«
Wie ein Paar schritten sie auf den Eingang zu. Die rote Tür war nicht zu übersehen, sie lockte, und Glenda zumindest spürte die irre Spannung in ihrem Innern. Auch wenn sie mit beiden Beinen den Boden berührte, so kam es ihr trotzdem vor, als hätten sich ihre Füße selbständig gemacht und würden über die harte Unterlage hinwegtanzen. Es war eine Folge der Erleichterung, die Glenda überkommen hatte, und als sie vor der Tür ihre Schritte stoppten, da atmete sie tief durch.
»Was hast du?« fragte Eddy besorgt!
»Ich fühle mich gut.«
»Ach ja?«
Sie nickte. »Wir sind hier richtig, ich bin hier richtig, auch wenn ich den Namen Vampirloch nicht lese. Aber jenseits der Tür wird sich uns eine völlig andere Welt eröffnen, das kann ich dir versprechen. Ja, das weiß ich genau.«
»Wir werden sehen.« Eddy Figueras hatte sich die Tür genau angeschaut. Der schwarze, leicht glänzende Griff war nicht zu übersehen. Seine Hand näherte sich ihm, er umschloß ihn, zog, aber die Tür blieb verschlossen.
»Nichts.« Glenda sprach das Wort mit einer sehr enttäuscht klingenden Stimme aus.
»Leider.«
»Wir sind doch richtig, wir…«
Ein Summen ertönte. Zuerst erschraken beide, dann war es Figueras, der zugriff. Mit dem Druck seiner rechten Hand preßte er die Tür nach innen, und beide konnten eintreten…
***
Bisher hatte sich Glenda Perkins keine Gedanken darüber gemacht, was sie wohl erwartete. Sie wollte sich einfach überraschen lassen, und hinter der Tür begann direkt ein Gang, der so seltsam düster war, als gehörte er zu einem Gruselkabinett auf dem Jahrmarkt. Er zog sich in die Unendlichkeit hin, das wiederum war eine optische Täuschung, hervorgerufen durch Spiegel und kleine Punktleuchten.
Ein normaler Mensch mußte einfach überrascht und verunsichert sein, da erging es Glenda und Eddy nicht anders. Sie schauten sich um, sie zögerten mit dem
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