0834 - Shaos Ende?
ist nicht ganz gelungen, davon gehe ich aus. Deshalb glaube ich, daß Tatjana wieder hier erscheinen wird. Sie wird sich freuen, sie wird ihren Teilerfolg auskosten wollen und sich irgendwann sagen, daß wir noch leben.«
»Ich warte auf sie!«
»Ja, Suko, ja, du wartest. Und ich werde ebenfalls auf sie warten, denn sie wird kommen. Sie kann nicht anders. Alles oder nichts, das ist ihre Devise.«
»Rechnest du noch mit einer Rückkehr in dieser Nacht?«
»Bestimmt.«
Suko schwieg. Ich war froh darüber, daß er die Gedanken an Shaos Tod zunächst zur Seite gestellt hatte. Er beschäftigte sich wieder mit den realen Problemen, und er lachte bitter, als er die Arme anhob und mir seine Hände zeigte. Die Gelenke wurden von eisernen Armbändern umspannt, die mit der Zeit die Haut aufgescheuert hatten. Ich entdeckte an den Rändern dunkle Flecken, es war eingetrocknetes Blut.
Ich legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Wir sollten uns einen Plan machen, denke ich.«
»Und welchen?«
Mir war schon etwas durch den Kopf gegangen, so fragte ich ihn: »Würdest du hier allein sitzenbleiben?«
»Ja - wo soll ich denn hin?«
»So meine ich das nicht. Du könntest auf sie warten. Sie wird sich den schwächeren von uns beiden aussuchen, denke ich. Durch deine Ketten bist du das.«
Er atmete tief ein, und plötzlich klang seine Stimme sehr hart. »Ich werde auf sie warten, John. Ja, ich warte auf sie. Und ich werde Shao rächen.«
»Denk daran, wie raffiniert sie ist.«
»John, das weiß ich. Das weiß ich alles. Ich kann an nichts anderes mehr denken, aber ich habe mir selbst ein Versprechen gegeben, und das werde ich einhalten. Wenn alles vorbei ist und ich noch lebe, werde ich hierher zurückkehren und Shao holen. Ich werde mit ihr gehen, und ich werde sie begraben.«
»Das ist sicher gut.«
»Ich möchte nicht, daß sie auf einem normalen Friedhof liegt. Ich muß mir etwas Besonderes für sie ausdenken, und ich habe seltsamerweise schon darüber nachgedacht.« Er räusperte sich und schluckte, bevor er weitersprach. »Ich hoffe, daß die drei nichts dagegen haben.«
»Wen meinst du damit?«
»Kara, Myxin und der Eiserne Engel. Ich denke, daß die Flammenden Steine ein guter Ort für ihre letzte Ruhestätte sind. Was meinst du dazu, John?«
Da brauchte ich nicht lange zu überlegen. »Ja, ich glaube es schon. Unsere Freunde werden es verstehen.«
***
»Sicher.«
»Aber jetzt laß uns an Tatjana denken. Ich schlage vor, daß ich mich zurückziehe.«
»Wohin?«
»Es gibt hier genügend Orte, wo ich eine gute Deckung finden kann, glaub mir.«
»Ich warte auf sie.«
»Nicht nur du, Suko«, sagte ich. »Denn zwischen Tatjana und mir steht auch eine Rechnung offen.«
Dann ging ich davon.
***
Suko wußte, welch ein relativer und auch rein subjektiver Begriff die Zeit doch war. In vielen Situationen rann sie zu schnell davon, bei den Augenblicken des Glücks, die man festhalten will, aber in seinem Fall verging sie ihm zu langsam.
Suko saß in einer Leere. In seinem Kopf schafften es die Gedanken nicht mehr, sich zu sammeln. Er wußte genau, was sein Freund John Sinclair mit seinem Plan gemeint hatte, nur war er soweit, daß er ihn das eine oder andere Mal einfach vergaß.
Er kam sich so schwerfällig vor wie der harte Stein, auf dem er seinen Platz gefunden hatte. Um ihn herum war nur Leere. Er hörte den Wind nicht, er spürte die Kühle bewußt nicht in seinem Gesicht, weil er immer wieder mit dem Feuer konfrontiert wurde, das in seinem Innern aufbrandete und hoch bis in das Gesicht schoß.
Suko hatte seine Augen geöffnet, er schaute ins Leere und hätte eigentlich den dunklen Boden sehen müssen, aber vor seine Augen schob sich immer wieder das schreckliche Bild aus dem alten Verlies.
Er sah nur Shao. Er sah, wie sie in den Ketten hing und ihren Körper gegen die Säule gedrückt hatte.
Dann sah er sie sterben.
Jede einzelne Sekunde erlebte Suko aufs Neue, und jede Zeiteinheit drang wie ein Messerstich in sein Herz.
Er schluckte.
Sein Gesicht war schweißnaß. Er zitterte, denn diese Bilder ließen sich einfach nicht verdrängen.
Suko spürte weder Hunger noch Durst, was völlig normal gewesen wäre, für ihn gab es nur die fürchterliche Erinnerung, gegen die er sich einfach nicht wehren konnte. Und er würde sie auch so schnell nicht abschütteln können. Dieses Jahr, das so schrecklich für ihn geendet hatte, würde ewig in seiner Erinnerung haften bleiben.
In seiner Umgebung veränderte
Weitere Kostenlose Bücher