084 - Im Schatten der Guillotine
Er betrachtete den flachen Stein und überlegte eine Weile. Schließlich schritt er auf den Buckel zu und berührte ihn mit einer Schuhsohle.
Nichts geschah.
„Ich kapiere das nicht", sagte Fred.
Coco war auch aus dem Geländewagen geklettert. „Zweifellos haben wir es mit einem Tor der Dämonen zu tun. Wie ist deine Ansicht, Rian?"
„Ich denke genauso."
Sie versuchten ein paarmal, das Dämonentor in Funktion zu setzen, aber es zeigte sich kein Erfolg. Nachdem sie wieder im Jeep Platz genommen hatten, meinte Fred:
„Natürlich habe ich während der Zeit, in der ich auf euch gewartet habe, nicht tatenlos herumgesessen. Ich habe ein paar Einheimische, die leidlich gut Englisch sprechen, interviewt. Dabei ist folgendes herausgekommen: Im Siedlungsgebiet eines Stammes der Merinas passierte vor rund einem Jahr etwas Unerklärliches: Ein Fluß, der das gesamte Dorf speiste und eine wichtige Quelle für die Leute darstellte, verließ plötzlich seinen natürlichen Lauf. Er wurde umgeleitet und versickert nun im Boden. Kein Mensch hat eine Ahnung, wie das geschehen konnte. Nirgends wurde auch nur die Spur von einem Deich oder etwas Ähnlichem entdeckt."
„Zauberei", sagte Coco.
„Zweifellos", bemerkte auch Dorian. „Fraglos wurde dem Merina-Stamm mit dem lebensnotwendigen Wasser auch die Möglichkeit genommen, weiterhin ihren Lebensraum beizubehalten. Ich nehme an, sie haben ihr Dorf verlassen."
„Eben nicht", entgegnete Archer heftig. „Die Krieger des Stammes blieben verdrossen in ihrem Ort hocken. Ohne Wasser sind sie zu einer gefährlichen Bedrohung für das angrenzende Land geworden, wurde mir gesagt. Kurzum: Keiner traut sich mehr in ihre Nähe. Die Polizei rührt keinen Finger, denn der Aberglaube wird hierzulande selbst bei den Behörden noch groß geschrieben. Es heißt, die Merinas haben sich den Dämonen verschrieben."
Der Dämonenkiller traf rasch seine Entscheidung. „Das ist ein Hinweis für uns. Fred, ich danke Ihnen. Wir sollten zu einer kleinen Expedition in das Gebiet, in dem der Fluß versickert, rüsten. Ich schätze, dort werden unsere Nachforschungen zu einem Ergebnis führen."
„Wir fahren also zunächst nach Tananarivo zurück, um das Notwendige einzukaufen?" fragte Fred Archer.
Als Dorian nickte, wendete er den Jeep und schickte ihn im Eiltempo über den unbefestigten Fahrweg.
Einige Minuten verstrichen, ohne daß einer der drei etwas äußerte, dann ergriff der Privatdetektiv wieder das Wort. Er schrie gegen den Motorenlärm an. „Übrigens - ich habe noch etwas erfahren, aber ich weiß nicht, ob es etwas mit unserem Fall zu tun haben könnte. Wie in anderen Staaten haben Ausländer die Pflicht, bei der Einreise ein Meldeformular auszufüllen. Damit erhalten Sie das Recht, sich drei Monate als Touristen auf Madagaskar aufzuhalten. Läuft die Frist ab, ohne daß sie wieder abgeflogen sind oder sich in die Heimat eingeschifft haben, sucht die Polizei sie zwangsläufig auf und veranlaßt sie, eine Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung zu beantragen. In der letzten Zeit hat es ein paar Fälle gegeben, in denen die Betreffenden nach Ablauf der drei Monate einfach nicht mehr aufzufinden waren. Insgesamt handelt es sich um etwa zehn Personen, aber ich habe gegen gutes Geld lediglich drei Namen eruieren können; den einer US-Bürgerin, den einer Deutschen und den eines Franzosen: Vanessa Kayne, Brigitte Thomsen und Jean-Luc Argue." „Vielleicht hatten die Leute allesamt Dreck am Stecken und den Umweg über Madagaskar gesucht, um sich reinzuwaschen und neue Existenzen unter falschen Namen zu beginnen", gab Dorian zurück.
„Man könnte doch über Interpol feststellen, ob nach ihnen gefahndet wird", meinte Coco.
Fred Archer nahm eine Kurve, dann antwortete er: „Gewiß. Aber die Zeit haben wir jetzt nicht. Die letzte Einzelheit, die mir zu Ohren kam, ist: Vanessa Kayne ist Lehrerin, genau wie Maureen Hopkins. Möglich, daß ein Zusammenhang besteht."
„Ja", meinte Dorian Hunter. „Wir sind auf dem besten Weg, etwas Ungeheuerliches aufzudecken, Freunde."
Er blickte Coco an, und sie wußte, daß er an den Vorschlag dachte, den Magnus Gunnarsson ihr unterbreitet hatte. Ein Wort schwebte unausgesprochen über den dreien: Okulationskolonie.
In der Hauptstadt der Insel kauften sie die Ausrüstung für die Expedition und beluden den Jeep damit.
Fachmännisch zurrten Dorian und Fred die Packen mit Proviant, Kleidung, Waffen, Munition und Arzneimitteln fest. Sie ließen das Auto
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