084 - Machetta, Sumpfhexe vom Mississippi
wäre,
Sir?«
»Vielleicht
sehen Sie sich mal in dem Haus um, wo die Wilkinsons all die Jahre zuvor gelebt
haben. Erinnern Sie sich an die Episode mit dem Taxi vor zwei Tagen?«
»Wie könnte
ich die vergessen, Sir!«
»Wir haben
auch diesen Fall noch mal zurückverfolgt. Dabei sind wir auf eine erstaunliche
Tatsache gestoßen. Sie waren auf dem Weg in eine Nachtbar am Hafen. Zwei
Straßenecken weiter liegt die Christopher Street.«
Da fiel es
Larry Brent wie Schuppen von den Augen. »Es besteht die Möglichkeit, daß Perry
Wilkinson in jener Nacht in seiner früheren Wohnung war?«
»Richtig!«
»Um dort
etwas zu suchen?«
»Möglich. Er
hat es in der neuen Wohnung nicht gefunden. Stellt sich nur die Frage: Was suchte
er?«
Larry kraulte
sich im Nacken. »Ich werde mich dort umsehen, Sir. Vielleicht kann ich etwas
erfahren. Nur seltsam, daß kein Mensch bemerkt hat, wie Wilkinson in die
frühere Wohnung eindrang, falls wir ein solches Ereignis als gegeben voraussetzen.«
»Haben Sie
gemerkt, wie der Nebelmörder in Ihre Wohnung kam, X-RAY-3?«
»Nein, Sir.
Aber wenn Sie das sagen, gehen Sie wieder von einer Voraussetzung aus: Sie setzen
Wilkinson und die undefinierbare Nebelgestalt gleich.«
»Tun Sie das
auch, X-RAY-3!«
»Aber Perry
Wilkinson ist tot! Dann müßte der Zweck seiner unerwarteten Rückkehr nach
zwanzig Jahren erfüllt sein. Er wird gefunden haben, was er suchte. Und damit
ist auch der Auftrag der Nebelhexe erfüllt worden. Nun ist sie zurückgeschwirrt
und tummelt sich irgendwo in den Sumpfwäldern des Mississippi. Eine feine
Geschichte, Sir. Warum machen wir da überhaupt noch weiter? Die Episode ist zu
Ende!«
»Ich fürchte,
nein. Wilkinsons Tod paßt überhaupt nicht ins Bild. Ich habe das Gefühl, wir sollen
getäuscht werden. Der Angestellte im Leichenschauhaus hat strengste
Anweisungen, jeden ungewöhnlichen Vorgang sofort zu melden.«
●
Aber der
Angestellte wurde überlistet.
Er saß an
seinem einfachen Holztisch hinter der mit einer Milchglasscheibe versehenen Tür
und machte eine Eintragung in ein Buch.
Vor wenigen
Minuten waren ein Arzt und drei Studenten dagewesen, die eine Leiche abholten.
Henry
Smithson führte genau Buch über die Leichen, die eingeliefert und wieder
abgeholt wurden.
In
Ermangelung eines anderen Hobbys hatte er angefangen, eine private Statistik
anzulegen, in der er die Eingänge nach Rubriken aufgeteilt hatte. In der einen
wurden alle weiblichen Leichen registriert, in der anderen alle männlichen. Es
gab spezielle Untergruppen, genau nach Alter und besonderen Merkmalen geordnet,
und es gab auch eine Spalte, in der er die unidentifizierten Leichen aufführte.
Hier trug er
diejenigen ein, von denen man nichts Genaues wußte oder die keine Angehörigen
mehr hatten.
Es war
auffallend, daß solche Leichen in der letzten Zeit immer weniger eingeliefert wurden.
Im Moment
herrschte ein derartiger Mangel, daß sich zehn Studenten eine ärmliche Leiche teilen
mußten. Der eine bekam die Innereien, der andere die Nerven, ein dritter einen
Teil des Kopfes.
Neben Henry
Smithson stand eine angebrochene Flasche. Er liebte den Bourbon. Und das sah
man ihm auch an. Da er ein einfacher Mensch ohne große Ansprüche war, trank er
aus der Flasche, um Gläser zu sparen. Er fand diese Methode in dieser Umgebung
auch hygienischer.
Das Glas
hätte er doch meistens zu spülen vergessen, da er von Natur sehr vergeßlich
war.
Das Glas
verschmutzte, er berührte es dauernd mit seinen Händen und griff auch mal mit
den Fingern hinein. Und seine Hände waren nicht immer gut gewaschen. Auch das
vergaß er oft.
Und so war es
keine Seltenheit, daß er mit Händen arbeitete, mit denen er kurz vorher noch Tote
berührt hatte.
Er setzte
gerade die Flasche ab, fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund und atmete hörbar
auf. »Alkohol konserviert«, murmelte er im Selbstgespräch. Er redete oft mit
sich selbst, denn den ganzen Tag kam kaum ein Mensch in diese makabre Umgebung.
Es klingelte.
Das heisere Geräusch ließ Smithson zusammenfahren.
»Das ist ja
mal was ganz Neues«, murmelte er. »Direkt um die Mittagszeit. Da wird doch
sonst nie eingeliefert?«
Er schob
geräuschvoll seinen Stuhl zurück und öffnete. Vor der Tür stand eine junge
Frau. Schwarz angezogen. In Trauer. Sie hatte blondes, kurzgeschnittenes Haar
und ein hübsches Gesicht, in dem der rote Mund wie eine Blüte leuchtete.
»Mein Name
ist Ann Mallory«, sagte die Besucherin. Sie warf ihm
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