084 - Mord aus dem Jenseits
Kriminalpolizei tappte, trotz Kommissar Walters kluger Theorien, im dunklen. Der Fall Braun hatte zwar wegen der makabren Begleitumstände Schlagzeilen gemacht, doch das Interesse der Presse an diesem Mord flaute nach dem ersten Sturm etwas ab und wandte sich anderen Dingen zu.
Am Abend nach der Testamentseröffnung erhielt Gerda Link einen Anruf. Julio Calaveras war am Apparat. Im ersten Augenblick wollte sie gleich wieder auflegen. Aber dann hörte sie sich doch an, was Calaveras zu sagen hatte.
Er forderte sie auf, ihn in der Hotelhalle zu treffen.
„Ich … ich weiß nicht“, antwortete Gerda Link. „Ich will Sie nach all dem nicht sehen, Herr Calaveras.“
„Kommen Sie, Senora Link. Wir haben über einige wichtige Dinge miteinander zu reden. Ich warte auf Sie.“
Er legte auf. Gerda Link ließ sich mit Robert Romens Zimmer verbinden. Romen meldete sich sofort.
„Ja, Gerda, was kann ich für dich tun?“
„Calaveras hat sich gerade gemeldet. Er will mit mir sprechen. Ich habe eine Todesangst vor diesem Mann, Robert. Was soll ich bloß tun?“
„Ich begleite dich, und wir fragen ihn, was er will. Ihm auszuweichen hilft nichts. Irgendwann wird er eine Gelegenheit finden, um mit dir zu reden, Gerda. Außerdem soll er nicht glauben, daß wir uns vor lauter Angst vor ihm verkriechen. Ich komme vorbei und hole dich von deinem Zimmer ab.“
Drei Minuten später war der Bandleader da. Er trug ein verwaschenes Leinenhemd, Jeans und Sandalen. Er wirkte sehr selbstsicher. Seine bloße Anwesenheit beruhigte Gerda Link schon und nahm ihr einen Teil ihrer Ängste.
„Gehen wir, Gerda.“
Calaveras wartete auf einer Eckbank in der Halle. Der weißhaarige Portier fixierte ihn böse, aber der Mexikaner ließ sich dadurch nicht irritieren. Der totenbleiche Antonio saß neben ihm.
Gerda und Robert traten zu den beiden.
„Was wollen Sie, Calaveras?“ fragte Romen, der das Wort führte.
„Setzen Sie sich“, forderte der Indio. „Wir wollen in Ruhe über alles reden.“
„Was es mit Ihnen zu besprechen gibt, läßt sich im Stehen abmachen. Also reden Sie!“
„Ich will Cuitlahuac, die Mumie. Ich muß sie haben! Ich zahle einen guten Preis. Senora Link hat die Villa mit allem Inventar und Zubehör geerbt, wie ich gehört habe.“
„Sie sind gut informiert. Aber Sie kriegen die Mumie nicht. Sie nicht! Lieber packe ich sie in den Kofferraum, fahre zum Rhein und werfe sie hinein.“
Voller Haß schaute der Indio den jungen Mann an.
„Sie reden große Worte. Aber mit Ihnen verhandle ich sowieso nicht, sondern einzig und allein mit Senora Link. Kann sie nicht für sich selbst reden?“
„Herr Romen vertritt meine Interessen. Ich stimme seinen Entscheidungen hundertprozentig zu.“
Romen warf einen raschen Seitenblick auf Gerda Link. Ein so entschiedenes Auftreten hatte er von ihr nicht erwartet, denn sie fürchtete Calaveras wie den Teufel selber.
„Sie machen einen großen Fehler, Senora Link. Sebastian Braun hat den gleichen Fehler gemacht. Geben Sie mir Cuitlahuac. Ich zahle Ihnen jeden Preis, den Sie wollen. Wenn Sie aber keine Vernunft annehmen, wird es Ihnen ergehen wie Senor Braun, Senora Link.“
„Nicht für zehn Millionen bekommen Sie die Mumie“, sagte Romen. „Sie nicht! Niemals!“
„Sie sind genauso ein Narr wie Braun“, zischte der Indio. „Senora Link …“
Weiter kam er nicht. Robert Romen, der sich nicht mehr beherrschen konnte, packte ihn am Kragen und riß ihn von der Bank hoch. Er schlug Calaveras die Faust in den Magen und mehrmals hart ins Gesicht.
Blut strömte aus der Nase des Mexikaners und von seiner aufgeplatzten Oberlippe.
„Antonio!“ stieß Calaveras hervor.
Ein Satz in einer unbekannten Sprache folgte. Der bleiche Mann stand auf. Mit erstaunlicher Kraft packte er Robert Romen und riß ihn von seinem Herrn weg. Romen, jetzt völlig in Rage, schlug blindlings zu. Er traf Antonios Nasenbein und spürte, wie der Knochen unter seiner Faust knickte.
Doch es kam kein Blut. Der bleiche Mann reagierte überhaupt nicht, zeigte kein Anzeichen von Schmerz. Er kam auf den Musiker zu. Romen, der Calaveras und seinem Diener den Tod Sebastian Brauns, seines väterlichen Freundes, zur Last legte, trat Antonio voll‚ ins Gemecht’, wie der Bayer sagt.
Ein übler Tritt, der auch den stärksten Mann zu fällen pflegt. Doch der Mann verzog keine Miene. Seine kühlen, trockenen Hände schlossen sich wie Schraubstöcke um Romens Hals. Antonio hatte den Griff genau richtig
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