0840 - Das Drachenmädchen
haben.«
»Ob ich hineingekommen wäre, weiß ich nicht. Und wenn, dann hätte ich die Männer, die dort wachen, erst einmal überzeugen müssen, was bestimmt nicht einfach gewesen wäre.«
»Wovon überzeugen?« fragte Shao.
»Von diesem Fluch.«
»Den Sie mit der Existenz des Drachenmädchens gleichsetzen, nehme ich mal an.«
»Ja, das stimmt.«
Suko schaute Madame Chu direkt an. Sie konnte seinem Blick nicht ausweichen. »Ich denke, daß ich Ihnen schon einmal die Frage gestellt habe. Ich möchte wirklich von Ihnen wissen, wer Sie sind und ob ich Ihnen vertrauen kann.«
»Das können Sie.«
»Tatsächlich?«
»Ich stehe voll auf Ihrer Seite.«
»Woher wollen Sie wissen, auf welcher Seite wir stehen?«
»Das spüre ich.«
»Dann sind Sie sensitiv.«
»Auch.«
»Und weiter?«
»Ich bin so etwas wie ein Medium - mit dem Draht zum Jenseits. Ich bin nicht überall beliebt, denn es gibt Menschen, die mich als Hexe bezeichnen und Furcht vor mir haben? Ergeht es euch auch so? Habt ihr Angst vor mir?«
»Bestimmt nicht.«
»Eben. Niemand braucht Angst vor mir zu haben, es sei denn, er hat etwas zu verbergen.«
»Wie Sie?«
»Nein, nein, Suko, nicht wie ich. Zwar verfüge ich über unsichtbare Kräfte, aber ich bemühe mich, sie zum Wohle der Menschen einzusetzen. Ich weiß, daß sich in diesem Haus etwas Schreckliches festgesetzt hat, das gestoppt werden muß.«
»Wie könnte das aussehen?«
Madame Chu hob die Schultern. »Ich kann es nicht in allen Einzelheiten sagen, aber man muß mit sehr schlimmen Vorgängen rechnen, die dann im Tod enden.«
»Sind Sie sicher?«
Madame Chu hob die Schultern. »Der alte Fluch ist einfach grauenvoll. Die Menschen hier hätten dieses Haus nicht betreten dürfen. Es ist eine Falle, Suko, eine sehr gefährliche Falle. Damit müssen wir uns alle abfinden.«
»Und was wollen Sie dagegen tun?« fragte Shao.
»Ich will mich stellen, ich will es locken.«
»Das Drachenmädchen?«
»Wen sonst?«
»Wie viele Etagen hat das Haus?«
»Vierzig, mein Kind.«
Shao staunte und legte für einen Moment die Handfläche gegen ihre Lippen. »Vierzig Etagen«, sagte sie leise. »Das ist viel, das ist sogar höllisch viel. Wenn Sie damit beginnen, sie alle zu durchsuchen, brauchen Sie ja Wochen.«
»Da haben Sie im Prinzip recht.«
»Und Sie wollen trotzdem…«
»Nicht alle, denke ich.« Sie schaute Suko dabei an. »Oder was sagst du dazu?«
»Das gleiche.«
Madame Chu nickte. »Und damit habt ihr beide recht. In der Mitte des Hauses in der zwanzigsten Etage.« Sie deutete schräg in die Höhe.
Für einen Moment schwiegen sie. Nur die Verkehrsgeräusche waren zu hören. Bis Suko fragte: »Sie sind sicher, daß sich alles dort abspielen wird?«
»Hundertprozentig.«
»Sie wären hochgefahren.«
»So ist es.«
»Und hätten was getan?«
Madame Chu lächelte. »Ich hätte versucht, das Drachenmädchen zu bannen - oder zu vernichten. Ja, das hätte ich getan, das ist meine Aufgabe.«
Suko lächelte, während er nickte. »Einverstanden, Madame Chu. Dann sind wir jetzt zu dritt.«
Shao und Suko waren ein wenig enttäuscht, daß sich die Frau nicht freute. »Sie bleiben also dabei?« fragte sie nur.
»Natürlich.«
»Dann muß ich Sie beide noch darauf hinweisen, daß es sehr gefährlich werden kann. Wer immer dort haust, wer immer seinen Weg aus einem anderen Reich oder aus einer anderen Welt gefunden hat, er ist gefährlich und nimmt auf Menschen keine Rücksicht. Habt ihr das verstanden?«
»Sehr gut sogar.« Suko beugte sich etwas nach unten. »Ich kann Ihnen allerdings versichern, daß Shao und ich so unerfahren nicht sind, was den Umgang mit fremden Wesen angeht.«
Madame Chu konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. »Das habe ich bereits gespürt, denke ich. Ferner glaube ich daran, daß es das Schicksal gut meinte, als es uns zusammenführte. Dann können wir gehen, und ich hoffe, daß man uns hineinläßt.«
»Kennt man Sie?«
»Ich habe zweimal einen Versuch unternommen. Einmal, in der Nacht, einmal am Tage. In der Nacht hat man mich nicht reingelassen. Dafür am Tage.«
Suko schaute auf den breiten Eingang und ebenfalls breiten Treppenstufen, die zum Glasportal hinführten. »Ich denke mal, daß wir heute keine Schwierigkeiten bekommen.«
Madame Chu schaute Suko aus glänzenden Augen an. »Sind Sie ein Zauberer, Mister?«
»Psst. Ein kleines Geheimnis sollten auch wir Männer haben - oder?«
»Stimmt.«
***
Man hatte ihnen geöffnet, und dabei hatte
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