0840 - Das Drachenmädchen
verstehen.«
»Da haben Sie aus Ihrer Sicht recht«, gab Suko zu. »Sie können sich auch vorstellen, daß wir hier nicht grundlos in der Nacht erschienen sind. Es gibt bessere Möglichkeiten, sich die Stunden um die Ohren zu schlagen. Wir haben also ein Motiv, und das möchte ich Ihnen erläutern, Mr. Kent.«
»Gern, ich höre.«
Nicht nur Suko sprach, auch Madame Chu verlieh seinen Erklärungen durch ihre Zwischenbemerkungen mehr Bedeutung, und Jasper Kent hörte tatsächlich zu, ohne Fragen zu stellen. Nur verzog er hin und wieder den Mund, als fiele es ihm schwer, gewisse Dinge zu glauben.
»Tja«, sagte er schließlich, als keiner der anderen mehr sprach. »Jetzt bin ich wohl an der Reihe.«
»Sicher.«
»Angenommen, es stimmt, was Sie gesagt haben, Inspektor. Ich möchte auch keine großen Zwischenfragen stellen und nachhaken, aber was haben Sie sich denn gedacht? Was wollen Sie tun, vorausgesetzt, dieses Haus wird von Li Warren, dem Drachenmädchen, beherrscht?«
»Wir werden es stellen.«
»Einfach so?«
»Nein, Mr. Kent, so einfach wird es wohl nicht sein. Wir müssen Li Warren finden.«
»Das Haus ist gewaltig.«
»Stimmt, doch wir brauchen uns, wie Madame Chu sagte, nur auf die zwanzigste Etage zu konzentrieren.«
»Da haben Sie recht.« Kent warf der Frau einen schiefen Blick zu. »Und Sie sind völlig sicher?«
»Völlig.«
»Sie wollen so schnell wie möglich hoch, denke ich.«
»Sehr richtig.«
»Es tut mir leid, Inspektor, daß ich Sie nicht begleiten kann. Ich muß noch zwei Kontrollpunkte anlaufen, aber ich verspreche Ihnen, daß ich wieder hierher zurückkehre. Dann können Sie mir wahrscheinlich mehr über Li Warren sagen.«
»Wir hoffen es.«
»Soll ich Ihnen einen meiner Männer als Begleitschutz mitgeben? Er könnte Sie auch durch die entsprechende Etage führen, denn in dem Haus ist alles sehr weiträumig. Sie müssen auch damit rechnen, daß verschiedene Büros noch besetzt sind. Hier wird des öfteren die Nacht hindurch gearbeitet.«
Suko winkte ab. »Ihr Vorschlag in allen Ehren, Mr. Kent, aber wir werden schon allein zurechtkommen, denke ich. Außerdem soll sich niemand in Gefahr begeben.«
»Gut.« Er nickte. »Die zwanzigste Etage ist bereits durchsucht worden. Ein Mitarbeiter müßte sich dort oben noch aufhalten. Ich werde versuchen, ob ich ihn erreichen kann.«
Kent war mit einem flachen Sprechgerät ausgerüstet. Er schaltete es ein - und zog ein enttäuschtes Gesicht, denn aus dem Lautsprecher drang nur mehr ein fürchterliches Kratzen. Kent schüttelte das Gerät, schaltete es aus, danach wieder ein, aber das Kratzen blieb.
»Defekt?« fragte Suko.
Kent hob die Schultern. »Das verstehe ich nicht. Es war noch vor einer halben Stunde völlig in Ordnung.«
»Es sind sie«, flüsterte Madame Chu.
Kent drehte sich um. »Wen meinen Sie denn?« Er klang verärgert.
»Die Geister.«
»Tatsächlich? Geister sollen mein Sprechgerät zerstört haben?« Er fing an zu lachen. »Das glauben Sie doch selbst nicht.«
»Nicht zerstört. Sie halten es noch in der Hand. Es wurde nur funktionsuntüchtig gemacht.«
»Durch sie?«
»Ja, durch die anderen Kräfte.«
Kent gab keine Antwort. Dafür stand er mit einem Ruck auf und ging zu seinen Leuten. Er ließ sich von ihnen ein zweites Gerät geben, beobachtet von den drei Besuchern, und es war Madame Chu, die den Kopf schüttelte und dabei leise sprach. »Es hat keinen Sinn. Sie werden alle nicht funktionieren.«
Shao und Suko schwiegen. Ihren Gesichtern allerdings war anzusehen, daß auch ihre Sorgen wuchsen. Wenn alle Geräte nicht mehr in Ordnung waren, konnte das nicht auf einen technischen Defekt zurückgeführt werden. Da spielten dann andere Dinge mit. Man probierte sie durch, ohne Erfolg zu haben. Wütend kehrte Jasper Kent wieder zurück. »Tatsächlich, nichts ist mehr in Ordnung.«
»Ich wußte es«, flüsterte Madame Chu.
»Verdammt, was wußten Sie?«
»Sie sollten sich nicht aufregen, aber Sie sollten akzeptieren, daß dieses Haus bereits unter der Kontrolle anderer Mächte steht. Es wird höchste Zeit, daß wir etwas gegen sie unternehmen, und das schaffen wir nicht hier unten.«
»Sie wollen wirklich hoch?« fragte Kent.
»Das hatten wir vor.«
Er verdrehte die Augen, nickte und gab so seine Zustimmung. »Ich werde trotzdem diesen Bau verlassen und die Geräte mitnehmen. Wenn ich zurückkehre, habe ich neue besorgt.«
Keiner konnte ihn daran hindern. Madame Chu schaute ihn an und schüttelte nur
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