0841 - Erst lieb ich dich, dann beiß ich dich!
Vergangenheit hatte.
Das waren Spekulationen und Theorien. Ich folgte dem Rat der Gastgeberin und begab mich dorthin, wo ich Stimmen und Gelächter hörte, wo die Action lief…
***
Der Trubel im Ausstellungsraum war gewöhnungsbedürftig, zumindest für mich, denn wohl fühlte ich mich nicht, was auch am leichten Hunger liegen konnte. So tat ich erst einmal das, was hier alle getan hatten, ich bediente mich am Büfett.
Es gehörte nicht zur prachtvollen Sorte. Was da lag, sah sehr appetitlich aus. Spanien in London.
Kleinigkeiten, Gabelbissen, Oliven, Käse und Wurst, viele Dips und Soßen, auch Fisch erfreute zuerst mein Auge, später den Magen, und an entsprechenden Getränken stand ebenfalls einiges bereit.
Ich hatte meinen Teller genommen und mich in eine relativ stille Ecke zurückgezogen. So konnte ich in den Ausstellungsraum hineinschauen und auch die Bilder sehen, die an einer breiten, fensterlosen Wand hingen. Vor ihr standen die meisten Gäste. Sie aßen, sie schauten, sie tranken, sie diskutierten, gaben sich sehr interessiert, wobei ich mehr den Eindruck hatte, daß die meisten von ihnen wegen des Essens und der Getränke erschienen waren.
Drei runde Tische mit mehreren Stühlen davor standen dort, wo sich der Raum verbreiterte und gleichzeitig endete. An einem Tisch - ich hatte es mit einem flüchtigen Blick wahrgenommen - saß die Künstlerin zusammen mit dem Gastgeber und einigen Gästen. Unter den Gästen hatte ich auch Bill Conolly gesehen.
Da ich nicht wie ein Elefant in den Porzellanladen hineingestürmt war, sondern einem normalen Gast glich, konnte ich es langsam angehen lassen. Ich aß, trank Wasser dazu und dachte gleichzeitig nach. Daß diese Cynthia Droux etwas vorhatte, stand für mich fest. Sollte sie tatsächlich ein Vampir sein - der letzte Beweis fehlte mir ja noch -, waren die Gäste hier die idealen Opfer für sie. Außerdem war sie eine Frau, die Männer magisch anzog. Ich konnte mir vorstellen, daß die Typen an ihrem Tisch große Augen und Ohren bekamen und jedes Wort aufsaugten, das sie sagte.
Mein Teller war nicht bis zum Rand gefüllt gewesen. Ich stand auf und stellte ihn weg.
Als ich mich wieder umdrehte, stand Maria Sanchez vor mir. Ihre Lippen zeigten ein verkniffenes Lächeln, und die Pupillen funkelten wie geölte Kohlestücke.
»Wie gefällt es Ihnen hier?«
»Das kann ich noch nicht sagen Señora. Ich habe mir einen ersten Eindruck verschafft.«
»Zu welchem Ergebnis sind Sie dabei gekommen?«
»Daß ich die meisten Gäste hier nicht kenne.«
»Kommen Sie, Mr. Sinclair.« Ihre Stimme klang leicht ärgerlich. »Sie sind Polizist. Ist das der einzige Eindruck, den Sie von der Feier gehabt haben?«
»Das nicht.«
»Aha.« Die Frau nahm eine dunkle Olive zu sich. »Meinen Mann haben Sie wohl gesehen.«
»Sicher. Er sitzt bei Bill Conolly.«
»Diese beiden Balzhähne!« zischte sie. »Die wollen doch nur in der Nähe dieser schrecklichen Person sein.« Ihr Mund verzog sich weiter. »Es ist schrecklich, sage ich Ihnen. Ich habe das Gefühl, als wäre sie ein Magnet und die Kerle aus Eisen.«
»Nun ja.« Ich hob die Schultern. »Jedenfalls werde ich mich mal zu ihnen gesellen.«
»Tun Sie das. Und dann?«
»Ich lasse alles auf mich zukommen.«
Maria Sanchez ballte die linke Hand zur Faust. »Machen Sie dieses Weib fertig! Cynthia Droux ist gefährlich. Das sage ich nicht nur so dahin, ich spüre es einfach.«
»Ja, Señora, vielleicht haben Sie sogar recht.«
»Bestimmt! Dabei gebe ich nicht mal meinem Mann die Schuld. Er kann gar nicht anders. Diese Person hat ein Netz aus Boshaftigkeit um ihn und andere gesponnen. Die hat etwas an sich, vor dem ich zurückschrecke, und das soll etwas heißen.«
»Mehr wissen Sie nicht?«
»Ich will Ihnen eines sagen, Mr. Sinclair.« Sie kam noch näher auf mich zu. »Ich habe sie ja unmittelbar erlebt, und mir ist aufgefallen, daß sie… daß sie… nicht atmet.« Maria ging wieder zurück.
Wahrscheinlich, weil sie damit rechnete, von mir ausgelacht zu werden, das tat ich nicht.
Ich hakte sogar nach. »Sind Sie sicher?«
»Hundertprozentig.«
»Was sagt Ihnen das?«
»Mir?« Sie schüttelte den Kopf. »Mir sagt es nicht viel, aber Ihnen sollte es etwas bedeuten. Sie sind der Fachmann.« Noch einmal nickte sie mir zu, dann mußte sie sich um andere Gäste kümmern, die bereits nach ihr gerufen hatten.
Bevor ich Cynthia sah, hörte ich sie. Es war sicherlich nicht ruhig in diesem Raum, viele Menschen sprachen
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