0842 - Der Sternensammler
Ziehen in seinem Nacken, das auch jetzt noch Bestand hatte. Zamorra griff mit der linken Hand nach hinten, doch er fasste ins Leere. Der Schmerz war weg… und zu seinen Füßen erklang ein beinahe beleidigt klingendes Miau.
Wohin es ihn auch verschlagen hatte - alleine war er jedenfalls nicht. Das irre Katzenvieh hatte den Wechsel mitgemacht.
»Verschwinde von mir! Weg da…«
Trotz der mehr als misslichen Lage musste Zamorra nun doch grinsen. »Herzlich willkommen, wo auch immer.«
Die ironische Begrüßung galt der Person, die da versuchte, sich der anhänglichen Felide zu entledigen. Zamorra hätte böse lügen müssen, wenn er behaupten würde, dass die Anwesenheit von Dalius Laertes ihm kein beruhigendes Gefühl vermittelte. Der Vampir war ihm gleichfalls gefolgt. Warum? Das jedoch stufte der Parapsychologe sofort als sinnlose Frage ein, denn aus dem hageren Uskugen wurde er einfach nicht schlau.
Freund oder Feind?
Feind ganz sicher nicht, das stand für den Franzosen außer Frage. Aber Freund? Wirklicher Freund, dem man bedenkenlos und ohne jeden Zweifel trauen konnte? Er verschob die Erörterung dieses Fragenkomplexes erneut auf… irgendwann.
Gleichzeit jedoch tauchte da eine ganz ähnliche Frage in Zamorras Denken auf, die speziell auf ihn selbst bezogen war.
Er - Professor Zamorra - war denn er noch der Freund, den andere immer in ihm gesehen hatten? War er noch immer der »Fels in der Brandung«, der »rettende Engel«? So und anders war er unzählige Male tituliert worden. Es war bitter, diesen Gedankenfaden überhaupt aufgreifen zu müssen, doch wie bitter war es erst, ihn weiterzuspinnen.
Nicole, Partnerin im Leben wie im Kampf, Gefährtin in ungezählten Gefahren, zärtliche Freundin und heißblütige Geliebte… konnte denn sie sich noch auf ihn verlassen?
Laertes unterbrach Zamorras Grübelei, die er zu einem mehr als unpassenden Zeitpunkt gestartet hatte.
»›Wo auch immer‹ trifft den Kern ziemlich genau, Professor. In dieser Finsternis werden wir wohl keine Antwort darauf finden… also gut.«
Zamorra hörte, wie der Uskuge ein paar merkwürdige Zischlaute ausstieß. Dann wich die Dunkelheit, denn Laertes' Gestalt war von einer leuchtenden Aura umgeben, die ausreichte, um die Umgebung für die beiden Männer deutlich sichtbar werden zu lassen.
Zamorra sah sich um und hatte augenblicklich sein Déjà-vu - diesen Ort kannte er; hier war er schon mehr als nur einmal gewesen. Es war ein Kellergewölbe, in dem sie gelandet waren. Nichts, was man so auf Anhieb zuordnen konnte. Doch hier ging es mehr um Gerüche, die räumlichen Abmessungen… genauer konnte Zamorra es auch nicht erklären. Ihm war auf jeden Fall sofort klar, wo er sich befand. Doch die Zeit, dieses Wissen mit Laertes zu teilen, bekam er vorläufig nicht.
Eine knappe Handbewegung des Vampirs ließ Zamorra schweigen. Irgendetwas hatte Laertes entdeckt. Dann sah Zamorra sie auch. Im Lichtschein von Dalius' Aureole kamen ihnen zwei Gestalten entgegen, schälten sich aus der Dunkelheit - und erstarrten.
Laertes und Zamorra trauten ihren Augen nicht.
Die beiden Personen waren ihnen gut bekannt… sehr gut sogar. Laertes brachte kein Wort heraus, und auch bei Zamorra dauerte es einige Sekunden, bis er das, was er sah, auch mit dem Verstand verarbeitet hatte. Seine Stimme hatte einen ungewohnt zittrigen Klang, als er den ersten Schreck überwunden hatte.
»Artimus? Artimus van Zant? Und… du, Khira Stolt. Ich glaube es nicht. Kann das sein…«
Die Worte wurden ihm von den Lippen gerissen, als eine ungeheure Detonation irgendwo über ihnen erfolgte. Steinstaub rieselte… kleine Brocken lösten sich aus der Decke, regneten auf die vier Menschen herab.
Als sich Lärm und Staub ein wenig gelegt hatten, da hörte Zamorra die angstvolle Stimme der kleinen Frau.
»Wir müssen ñiehen, Artus. Er ist es… der Sammler!«
***
Zamorra hatte Mühe, um sich hier in den Katakomben einigermaßen zu orientieren.
Natürlich - es waren die Katakomben von Château Montagne, wenn dieses Châteaüauch in einer anderen Welt lag. Viele und lange Jahre bewohnte Professor Zamorra das Château Montagne in seiner Welt, doch zu seiner Schande musste er gestehen, dass er es nie geschafft hatte, die »Unterwelt« des Gebäudekomplexes in allen Einzelheiten zu erforschen.
Damals, als der Schwarzmagier Leonardo de Montagne das heutige Château als seine Burgfestung erbauen ließ - worauf der architektonische Stil heute noch deutlich hinwies hatte
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