0842 - Teufels-Schönheit
permanent.
Irgendwann verließ sie das warme Wasser. Rasch griff sie nach dem Badetuch, hüllte sich darin ein, trocknete sich ab und zog anschließend einen kurzen Slip über, bevor sie in den Bademantel schlüpfte. Nur mit ihm bekleidet betrat sie den kleinen Wohnraum, blieb hinter der Tür stehen und schaute sich um, als wäre sie in ihrer eigenen Wohnung eine Fremde. Das war sie nicht, trotzdem gefielen ihr die Möbel nicht mehr. Sie waren einfach zu düster, auch zu normal. Billigprodukte aus dem billigen Kaufhaus, die zwar zu der ehemaligen Della Streep gepaßt hatten, aber nicht mehr zu der heutigen. Die war eine ganz andere geworden, sie war die Person, die lebte, die erst richtig lebte, und sie mußte sich einfach wieder anschauen.
Im winzigen Flur blieb sie vor dem Spiegel stehen, denn darin zeichnete sich ihr ganzer Körper ab.
Zufriedenheit durchflutete sie. Ja, sie war endlich zufrieden, aber es fehlte noch das Sahnehäubchen auf dem Kuchen.
Sie lächelte hintergründig, als ihr ein gewisser Gedanke kam. Della wollte nicht bis zum Abend warten, um mit Mandy Rice sprechen zu können. Es wäre doch wunderbar, wenn sie ihre ehemalige Klassenkameradin schon jetzt anrief und sich einfach bei ihr erkundigte, wie es ihr ging.
Der Gedanke gefiel ihr mehr als gut. Wahrscheinlich würde sie das Leiden durch den Hörer hören, und es würde ihr wunderbar gefallen und die Laune noch steigern.
Mit diesem Vorsatz betrat sie wieder den Wohnraum, wo sich auch das Telefon befand. Sie nahm sich vor, so schnell wie möglich einen tragbaren Apparat zu kaufen, aber das konnte noch warten.
Neben dem Telefon lag die Liste mit den Telefonnummern ihrer ehemaligen Klassenkameradinnen, und die Nummer einer Mandy Rice hatte Della rot unterstrichen.
Sie hob den Hörer ab und tippte genußvoll die Nummer ein. Vor ihrem geistigen Auge stellte sie sich die schöne Mandy mit ihrem Gesicht vor. Was mußte diese Person durchmachen. Della kannte die Qualen, die man als »Häßliche« erlitt, und ihre Gedanken brachen ab, als sie das Freizeichen hörte. »Sei da!« flüsterte sie, unterstützte die Worte durch ein Trommeln der Fingerspitzen auf der kleinen Tischplatte, wo das Telefon seinen Platz gefunden hatte.
Sie war da.
Zumindest hob jemand ab.
Keine Stimme.
Della machte den Anfang. »Hallo…?« fragte sie. Das Wort klang frisch und munter.
Ein kurzes Räuspern. Dann die flüsternd gestellte Frage. »Wer… wer sind Sie denn?«
»Ich bin es, Mandy…«
»Wer?«
»Deine liebe Freundin?« Della lachte glucksend in sich hinein und bekam einen roten Kopf.
»Tut mir leid, ich kenne Sie nicht und…«
Bevor Mandy das Gespräch von sich aus unterbrechen konnte, sprach Della rasch weiter. »Leg nicht auf, Mandy, tu dir selbst den Gefallen. Ich wollte dich nur fragen, wie es dir gefällt, mit einem anderen Gesicht herumzulaufen. Das ist doch so - oder?«
Della hörte, wie die andere Frau nach Luft schnappte und wartete gespannt auf eine Antwort, und die erfolgte prompt, denn Mandy hatte mitgedacht. »Bist du es, Della?«
»Wer sonst, Süße?«
»Neiiinnnn!« Es war ein Schrei, der in Dellas Ohr tönte und sie veranlaßte, den Telefonhörer von ihrem Ohr zu entfernen. Gleichzeitig freute sie sich diebisch darüber, der anderen einen Schock versetzt zu haben, und der Schrei blieb auch nicht ewig. Er brach urplötzlich ab, nur ein Keuchen war zu hören.
»Hast du dich wieder gefangen, Mandy?«
»Warum rufst du an?« Die Worte waren nicht glatt gesprochen worden. Zwischen ihnen war das Schluchzen aufgeklungen. Ein Beweis, wie sehr die schöne Mandy litt.
Das freute Della. »Warum ich dich anrufe?« fragte sie. »Willst du es wissen?«
»Nein, das will ich nicht. Ich weiß nur, daß du - wie auch immer - schon genug Unheil angerichtet hast.«
»Was heißt hier Unheil, meine Liebe? Ich habe mir nur das geholt, was mir zusteht. Du hast es all die Jahre genossen, nun bin ich an der Reihe. Die Menschen sollten nicht so egoistisch sein, sie sollten auch mal tauschen und teilen.«
»Es ist pervers, was du da sagst.«
»Wieso?«
»Man greift als Mensch nicht in den Kreislauf der Natur ein. Jeder wurde so geschaffen, wie der Herrgott es wollte, und damit hat man sich abzufinden.«
Della Streep konnte sich ein scharfes Lachen nicht verbeißen. »In welch einer Welt lebst du?« rief sie zwischendurch. »Glaubst du tatsächlich an das, was du da gesagt hast?«
»Ja, daran glaube ich.«
»Aber nicht ich. Ich finde es nur gerecht,
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