0843 - Tunnel der hungrigen Leichen
ist uns der Gedanke gekommen.«
»Es war kein Gedanke, Jolanda.« Bevor sie eine Frage stellen konnte, sprach er weiter. »Es war auch keine Eingebung, es war eine plötzliche Botschaft, denn jemand hat sich mit uns in Verbindung gesetzt. Jemand, der so ist wie wir.« Sein Auge verlor den harten Glanz. Er sah aus, als würde er nach innen lauschen. »Einer, der uns gleichkommt. Jemand, der existiert, nur nicht in unserer Nähe. Eine Person, in deren Schwingungskreis wir hineingeraten sind. So sieht es doch aus und nicht anders. Oder bist du anderer Meinung?«
»Nein - leider.«
»Warum leider?«
»Weil ich auch keine Lösung weiß. Es ist alles festgesetzt, es ist nicht nur schlimm, auch schrecklich.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich will endlich wissen, woran ich bin. Oft genug habe ich Angst davor, ins Bett zu gehen, dann frage ich mich, was die folgende Nacht wieder bringen wird. Ich weiß von der Gefahr, du weißt es. Wir kämpfen gegen sie an, ohne sie stoppen zu können. Das Böse ist nicht verschwunden. Es hat sich bisher nur versteckt gehalten, aber in diesem alten Tunnel, der längst vergessen ist, kam es wieder zu sich. Es hat Hände, es hat Klauen, es kann sich lösen, es kann sich teilen, es kann sich vervielfältigen, und es hat schon zugeschlagen, wie du in der Zeitung lesen konntest. Sie haben eine Leiche aus der Gracht gefischt, einen toten Mann, der furchtbar ausgesehen haben muß. Ein Bild haben sie nicht veröffentlicht, es wäre sicherlich zu schrecklich gewesen. Aber ich habe den Artikel gelesen und auch zwischen den Zeilen geschaut. Die Polizei steht vor einem Rätsel. Man fragt sich, wie so etwas hatte geschehen können. Wer tut denn das? Wer ist so grausam? Wir wissen die Antwort, und wir wissen auch, daß es erst der Anfang ist. Die Grachten werden in Zukunft nicht mehr sicher sein, wenn der Tunnel seine hungrigen Leichen entläßt. Sie werden in das freie Wasser schwimmen können, um ihren Hunger zu stillen, und wir können nicht überall sein. Wir haben die Hände und Arme abgehackt, aber es hat nichts gebracht, denn wir sind nicht an die Quelle des Übels herangekommen. Wir beide, Rob, können das Böse nicht zerstören.«
»Meinst du?«
»Davon bin ich überzeugt.« Jolanda nickte, griff nach ihrer Tasse und trank sie leer. »Deshalb hat man uns doch auch den Tip gegeben, deshalb besuchten und entführten wir John Sinclair und brachten ihn in den Tunnel. Wir gaben ihm den Hinweis. Er ist nicht wie wir, er führt ein normales Leben, und er wird es in seinem normalen Leben schaffen müssen, das Grauen zu vernichten.«
»Vorausgesetzt, er kommt in die Stadt.«
»Daran glaube ich fest.«
Rob hob die Schultern. »Ich nicht so sehr. Warum sollte sich ein Engländer um unsere Probleme kümmern?«
»Er denkt nicht national, Rob, bestimmt nicht. Er wird nicht mal europäisch denken, sondern über den Tellerrand dieses Kontinents hinausschauen. Ich glaube, daß er heute noch in Amsterdam eintreffen wird, und wir müssen uns mit ihm in Verbindung setzen.«
»Wie ich dich kenne«, sagte Rob Exxon leise, »hast du dir darüber schon Gedanken gemacht.«
»Das habe ich in der Tat.«
»Und?«
»Nun ja, ich meine…«, sie lächelte. »Es gibt hier einen gewissen Kommissar van Steen. Er leitet die Untersuchung. Es stand in der Zeitung. Wer Hinweise geben kann, die den Mord betreffen, sollte sich an das Kommissariat wenden, dem van Steen vorsteht. So wird John Sinclair auch denken. Wenn wir ihn treffen wollen, dann müßten wir zur Polizei.«
Rob Exxon drückte sich auf seinem Stuhl zurück. Er legte die Stirn in Falten. »Was mir nicht gefällt. Ich möchte nicht schon jetzt meine Identität lüften.«
»Gut - ja, akzeptiert. Was hast du dir denn statt dessen ausgedacht? Daß wir nicht hier in unserer Wohnung bleiben, steht fest - oder?«
»Klar.«
»Und weiter?«
»Wir werden die Augen offenhalten. Es wird nicht zu schwer sein, herauszufinden, wo John Sinclair abgestiegen ist. Wir könnten ihn unter Beobachtung halten.«
»Okay. Und dann?«
»Werden wir mal sehen. Vielleicht schafft er es ja, das Böse anzulocken, denke ich mir.«
Jolanda war damit nicht einverstanden. »So wie du jetzt geredet hast, kenne ich dich nicht. Das ist eines Kämpfers nicht würdig, Rob. Irgendwas machen wir falsch.«
»Was denn?«
»Wir sind zu inaktiv.«
»Wie willst du denn aktiv werden? Wer wird dir denn glauben? Sei ehrlich, Jolanda.«
»Stimmt, das ist tatsächlich ein Problem.«
»Ich verlasse
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