0845 - Das Höllenhaus
zog sie über.
Das Gesicht blieb hinter dem Fenster, ohne sich zu rühren. Es stand dort wie eine eiskalte Maske, die sich aus dieser Luft herauskristallisiert hatte.
Es flößte Furcht ein, und die jungen Leute hatten Mühe, das große Zittern zu unterdrücken. Das Gefühl der Angst hatte sie wie Peitschenschläge erwischt und erstarren lassen. Jeder von ihnen wußte, daß sie Gefangene waren.
Das Gesicht blieb nicht an dem Ort stehen, es wanderte weiter. An der geschlossenen Tür glitt es vorbei und tauchte dann am zweiten Fenster wieder auf.
»Ich habe Angst!« flüsterte Corinna. »Ich habe so große Angst, ehrlich, ich kann nicht mehr.«
Niemand gab eine Antwort, aber die drei anderen spürten das gleiche Gefühl in sich.
Da war es wieder.
Lautlos glitt es heran, diesmal allerdings nicht mit dem Profil, es zeigte sich frontal, so daß die jungen Leute direkt hineinschauen konnten.
Das Gesicht war sogar breiter als das Fenster. Mit seinen seitlichen Enden ragte es rechts und links darüber hinweg, auch der Schleier war vorläufig nicht mehr zu sehen, und jeder wartete darauf, daß es die Wand überwinden und in das Haus eindringen würde.
Etwas anderes geschah.
Das Gesicht fing an zu zittern. Gleichzeitig zog es sich zusammen, als wäre es von den Seiten her in die Backen einer Zange genommen worden. Die Augen erschienen und verwandelten sich in gelbe, kleine Punkte. Auch der Schleier war nur mehr ein schmales, flattriges Etwas, kaum der Rede wert.
Sekunden später war es nicht mehr zu sehen.
»Weg«, flüsterte Lizzy stotternd. »Es… es… ist wirklich weg. Ich sehe es nicht mehr. Ihr denn?« Sie stieß ein unnatürlich schrilles Lachen aus, als spielten die Nerven nicht mehr mit. Sie wollte ihre Aussage bestätigt wissen. »Sagt doch was, verdammt. Los, gebt einen Kommentar ab, bitte. Sagt was!«
Die anderen schwiegen.
Nur Johnny fing sich wieder. Er dachte praktisch. »Dann können wir es ja mal probieren.«
»Was denn?« fragte Allan.
»Die Tür öffnen.«
Allan schwieg. Er schaute zu, wie Johnny noch einmal tief Atem holte und den ersten Schritt ging.
Dabei blieb es auch, denn urplötzlich hatte ihn ein eiskalter Hauch erwischt, der wie eine Wand wirkte, die den Jungen stoppte, denn Johnny stand starr.
Das sahen auch seine Freunde. Sie wollten natürlich fragen, aber niemand traute sich. Bis Corinna die Zeit zu lang wurde. »Was ist denn? Warum gehst du nicht weiter?«
»Ich… ich… kann nicht…« Johnny trat einen Schritt zurück. »Unmöglich, die Kälte…« Er breitete die Arme aus. »Sie ist wie eine verdammte Wand, ist sie.«
Der Junge hatte die Worte kaum ausgesprochen, da spürten es auch die anderen. So etwas wie dünnes Eis regnete auf sie nieder, und sie zuckten zurück.
Ohne es zu wollen, klammerten sie sich aneinander. Da reagierten sie wie eine Herde von Schafen, die ein Unwetter erlebt und es nur in der Gemeinschaft überstehen konnte. Auch wenn sie es gewollt hätten, es wäre ihnen nicht möglich gewesen, einen Schritt zu gehen. So blieben sie zusammen, denn auch Johnny hatte sich zu ihnen gesellt.
Eiseskälte hatte sie überkommen. Sie bewegten sich nicht mehr, sie waren eingefroren, auch wenn sie es versucht hätten, die Hände bekamen sie nicht in die Höhe. Sie waren zum Zuschauen verdammt, und sie hatten gleichzeitig das Gefühl, als wäre diese unnatürliche Kälte dabei, ihnen die Wärme aus dem Körper zu ziehen. Ihre Gesichter waren so blaß, die Haut hatte die Farbe verloren, in ihren Körpern hockte die Angst, die sie ebenfalls vereiste.
Sie sahen nichts.
Das Gesicht blieb verschwunden. Es hatte sich einfach aufgelöst, und auch darüber kamen sie nicht hinweg. In ihren Körpern tuckerten die Schmerzen. Der Herzschlag war deutlich zu hören, er wummerte gegen die Rippen.
Furcht vor dem unsichtbaren Grauen zeichnete die Gesichter der jungen Menschen.
Auch Johnny, der schon einiges in seinem jungen Leben hinter sich hatte, kam damit nicht zurecht.
Er wußte keinen Ausweg, er konnte sich nur einem Gefühl hingeben, dem der Angst.
Corinna hatte sich eng an ihn gedrückt und dabei ihr Gesicht gegen seinen linken Arm gedrückt. Er hörte sie überlaut und stöhnend atmen.
Lizzy erging es nicht anders, und auch Allan Slater quälte sich. Er spürte genau, daß er diesmal einen Schritt zu weit vorgegangen war und sich in einem gefährlichen, unerklärlichen Gelände bewegte. Der junge Mann weinte. Die Tränen verließen seine Augen, sie rannen an seinem
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