0847 - Shango
Seine Zigarre war verloschen. Er nahm sie aus dem Ascher und zündete sie wieder an. Dabei schaute er auf seine zittrigen Hände.
Wie ein altes Weib, dachte er. Du zitterst wie ein altes Weib…
***
Die Zellentür knallte hinter Cabal zu, und Oddie bedachte den Gefangenen mit einem letzten, wütenden Blick. Er hätte ihn am liebsten in das Verlies hineingeprügelt, das jedoch hatte er sich nicht getraut. Es war alles anders gekommen, selbst Gulda, dieser harte Hundesohn, hatte vor Cabal gekuscht und ihn behandelt wie einen Gast. Irgend etwas mußte da zwischen den beiden vorgefallen sein, mit dem der Aufpasser nicht zurechtkam. Er winkte Cabal mit den Handschellen zu. »Die sind speziell für dich, mein Freund. Daran werde ich dich irgendwann aufhängen.«
Cabal blieb cool. »Du wirst gar nichts tun, Oddie, gar nichts.«
»Ach. Und warum nicht?«
»Weil du bald tot sein wirst. Mausetot. Er wird dich vernichten.«
Der Wächter hatte zugehört. Er war nicht blaß geworden, nur wütend, doch er hielt sich zurück. Da war eine innere Stimme, die ihn warnte. Schweigend machte er kehrt und stapfte polternd davon.
Cabal lächelte spöttisch. Er setzte sich wieder auf seine Pritsche und streckte sich. Er schaute die Mauern an. Sie waren dick und schmutzig, sie waren für die Ewigkeit gebaut worden, dachten die anderen. Aber sie irrten sich gewaltig. Auch Mauern wie diese konnten einen Mann wie Shango nicht aufhalten.
Shango war ein Dämon geworden. Shango hatte das Erbe übernommen. Shango besaß den Schädel, nach dem er so lange gesucht hatte. Shango war einfach der Schatten.
Und er war in der Nähe.
Das spürte Cabal genau. Sie waren verwandt, sie standen untereinander in Verbindung. Auch eine räumliche Trennung hatte daran nichts ändern können.
Nicht zum erstenmal stellte sich Cabal die Frage, wann Shango zuschlagen würde.
Heute noch? Oder morgen? Am Tage? In der Nacht? Es war egal, Cabal wollte nur raus.
In der Nebenzelle wurde gepfiffen. Dort hockte jemand, der alle Farbigen haßte. Er wünschte ihnen die Pest an den Hals und noch vieles mehr. Ihn sollte sich Shango auch holen.
Das Pfeifen brach ab.
Cabal war froh darüber. Er brauchte jetzt Ruhe, er wollte versuchen, einen Kontakt zu bekommen.
Shango würde ihn nicht im Stich lassen und ihm eine Nachricht übermitteln.
Er durchwanderte sein Verlies und tat es mit dem Gefühl eines Menschen, der Abschied nahm. Ja, er würde nicht mehr zurückkehren, Shango würde alles ändern. Sie würden dann zu zweit losziehen und sich dem großen Dämon gegenüber sehr dankbar erweisen.
Wieder hörte er das Pfeifen.
Diesmal allerdings anders. Es tönte durch sein Gehirn, es war wie ein schrilles Signal, und Cabal zuckte zusammen, denn er hatte das Geräusch identifiziert.
Er kannte es.
Wo er stand, ließ er sich fallen und landete auf dem Rand seiner Pritsche. Dort blieb er hocken. Das Pfeifen tönte durch seinen Kopf, es war der Signalpfiff von früher, eine Erinnerung an die Kindheit und natürlich an die Jugend.
So pfiff nur einer - Shango.
Er war da!
Endlich…
***
Jorge Gulda blieb allein in seinem Büro zurück und hatte das Gefühl, ersticken zu müssen. Was ihm da durch diesen Cabal gesagt worden war, stieß bei ihm an die Grenze.
Es war einfach nicht mehr zu fassen, zu erklären, mit dem Verstand nicht zu begreifen.
Es stimmte trotzdem!
Genau diese Überzeugung ließ ihn erschaudern. Er wußte, daß Cabal recht hatte, aber wie sollte er das erklären?
Jorge Gulda war überfragt. Er kam damit nicht zurecht. Sein gesamtes Lebensbild war aus den Fugen geraten, die Vektoren stimmten nicht mehr. Sie liefen in Richtungen, über die er nicht mal nachgedacht hatte. Ja, er kannte sie, er hatte davon gehört, aber wer glaubte schon an Dämonen? Er nicht. Man konnte hin und wieder weiße Mäuse sehen, doch Dämonen und der Glaube an sie waren doch zwei verschiedene Dinge. Da mußte man schon zu den Spinnern zählen, zu denjenigen Typen, die nichts anderes im Sinn hatten, als sich mit diesem Geister- und Teufelskram zu beschäftigen.
Er tat so etwas nicht.
Er hatte sich auf die Realitäten verlassen, auf sein Soldatentum, auf den Stahl der Waffen, denn das war für ihn echt und nicht irgendwelche Spinnereien.
Bis heute.
Da war alles anders geworden. Da kam es ihm schon in den Sinn, sich mit gewissen Dingen zu beschäftigen, denn die waren ihm nicht grundlos gesagt worden. So etwas saugte man sich nicht aus den Fingern, abgesehen von
Weitere Kostenlose Bücher