0847 - Shango
auslassen?«
»Warum?«
»Mich interessiert der Tod.«
»Du wirst ihn erleben!«
Hätte Gulda das ein Gefangener vor einer Stunde gesagt, er hätte ihn an die Wand genagelt. Jetzt aber grinste er nur, und das sah ebenfalls nicht gerade echt aus. »Wie meinst du das?«
»Du wirst sterben!«
Gulda paffte wieder. »Das ist immerhin etwas. Ich frage mich natürlich, wann und wie das geschehen wird. Kannst du mir da einen Hinweis geben?«
»Sicher. Du wirst umgebracht. Von einem gewissen Shango.«
»Ach. Den Namen habe ich nie gehört.«
»Er ist mein Bruder.«
»Wie schön - und weiter?« Gulda ärgerte sich darüber, daß er die Antworten ernst nahm, aber er konnte nichts dagegen tun.
»Shango haßt es, daß ich hier eingesperrt wurde. Er sorgt dafür, daß ich rauskomme, und er wird all diejenigen töten, die gegen mich waren. Shango ist unfaßbar.«
»Äh… das ist schwer.«
»Er ist ein Mensch und ein Dämon.«
Gulda überlegte. Die Asche fiel von der Zigarre und landete auf dem Schreibtisch. Warum stehe ich nicht auf, packe ihn und schmettere ihn gegen die Wand. Nein, ich sitze hier und höre mir sein Gefasel von einem Bruder an, der angeblich ein Dämon sein soll. Der größte Schwachsinn, den man sich nur vorstellen kann.
War es wirklich Schwachsinn?
Gulda geriet ins Grübeln, denn so eine Selbstsicherheit hatte er noch bei keinem Gefangenen erlebt.
Er kam sich beinahe vor, als wäre er der Gefangene.
»Kann ich gehen?«
»Nein!«
»Was willst du noch?«
Gulda paffte wieder. »Erzähl mir mehr über deinen Bruder. Er scheint ja ein interessanter Mensch zu sein.«
»Und ein Dämon.«
»Ja, auch das!«
»In unserer Heimat hörte er mein Flehen um Hilfe. Er kam, er ging nach New York und hat dort getötet. Merk dir den Namen, Gulda. Er heißt Shango. Solltest du einen Bekannten oder Freund in New York wohnen haben, dann nimm den Hörer und rufe ihn jetzt an. Er wird dir meine Worte bestätigen, denn über Shangos große Taten werden die Zeitungen ebenso berichtet haben wie über die meinen.«
Gulda zögerte. Er wußte nicht, ob er zum Narren gehalten wurde oder nicht.
Cabal nickte ihm zu. »Rufe an. Tu dir selbst den Gefallen. Du wirst es bestimmt nicht bereuen.«
Gulda zögerte noch einen Moment. Er kannte tatsächlich jemand, der in New York lebte. Es war eine Frau, mit der er einmal ein Verhältnis gehabt hatte. Sie arbeitete als Verkäuferin in einem Supermarkt, meistens nachts. Wenn er Glück hatte, war sie zu Hause. Die Telefonnummer hatte er in sein Notizbuch geschrieben. Er holte es hervor, blätterte es auf und hatte die Zahl bald gefunden.
Cabal beobachtete ihn genau, als er wählte. Um seinen Mund hatte sich ein Grinsen gelegt.
Der Aufpasser beherrschte sich nur mühsam. Er kam sich vorgeführt vor, so etwas haßte er. Wenn jemand einen anderen vorführte, dann war er es. Seine Gedanken brachen ab, als er Ritas Stimme hörte. Sie klang brummig wie immer, aber auch verschlafen. Er hatte sie wohl aus dem Bett geholt.
Im Hintergrund hörte er Geräusche. Wahrscheinlich lief der Fernsehapparat. Rita gehörte zu den Frauen, die stundenlang in die Glotze schauen konnten, ohne später zu wissen, was sie gesehen hatten.
»Ich bin es - Jorge!«
Rita überlegte. »Wer?«
»Jorge.« Er räusperte sich. »Jorge Gulda.«
Sie hatte begriffen, das hörte er auch. »Was? Du?« Sie holte Luft. »Du wagst es, mich anzurufen, nachdem du mich hast sitzenlassen, du Hundesohn!« Rita war in Form geraten. Gulda kannte ihre berüchtigten Schimpfkanonaden, die prasselten wieder auf ihn nieder, die Frau hatte sich nicht geändert, und er stellte sich die Frage, wie es möglich gewesen war, daß er es überhaupt so lange bei ihr ausgehalten hatte. Sie hielt ihm seine Taten vor, sie beschimpfte ihn weiter, was auch Cabal hörte, dessen Grinsen noch breiter wurde, doch auch Gulda schoß zurück.
»Halte endlich mal dein verdammtes Maul!«
Die Sprache verstand Rita. Sie verstummte. Er hörte ihr kratziges Räuspern. »Okay, was willst du? Sag nur nicht, daß du zu mir zurückkehren möchtest.«
»Nicht sofort.«
»Aha.«
Gulda hörte sie Luft holen. Bevor sie wieder anfangen konnte, sagte er schnell: »Ich will dich nur etwas fragen.«
»Was denn?«
»Ähm… es geht um einen Killer.«
»Bist du blöd?«
»Nein, wirklich, es geht um einen Killer. Du müßtest darüber Bescheid wissen. Du lebst in New York. Er soll dort morden. Die Sache muß ziemlich schlimm sein. Soviel ich weiß, hat es
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