0848 - Der alte Mann verfluchte mich
linken Arm aus. Allerdings nicht, um eine Waffe zu ziehen, das hatten die Zwerge bereits für ihn besorgt. Er hatte mich zu stark von ihnen abgelenkt, denn plötzlich spürte ich ihre Waffen am Rücken. Die Gnome mußten sich schon sehr gestreckt haben, um die Spitzen gegen mein Rückgrat drücken zu können, aber in den kleinen Armen steckte Kraft, und Nummer drei, der als einziger waffenlos war, hatte sich vor mir aufgebaut und grinste mir breit ins Gesicht.
Zacharias tippte gegen den Stab.
Tack tack - tack - tack…
Ich sah nicht nur den Stab, sondern auch das Gesicht des alten Mannes. Ich hatte eigentlich nicht hinsehen wollen, mir blieb nichts anderes übrig, er hatte sich so hingestellt, daß ich ihm in die Augen schauen mußte.
Seltsame Augen waren es. Ich mußte zugeben, daß mir diese Farbe vorher nicht aufgefallen war. Ich schaute gegen grünes Glas, etwas dunkler in der Mitte als an den Rändern.
Und gerade diese Mitte war es, die mich faszinierte. Sie lockte mich, sie zerrte mich zu sich heran, so daß ich den Eindruck hatte, als würde ich auf sie zufliegen.
Stand ich noch auf dem Boden, oder befand ich mich bereits in Bewegung? Ich konnte es nicht sagen, es war alles so anders geworden. Ich haßte es plötzlich, mich leicht wie eine Feder zu fühlen und nicht mehr meinen eigenen und kontrollierten Willen zu besitzen. Die Welt um mich herum hatte sich verändert. Obwohl ich meine Augen weit geöffnet hatte, sah ich nicht mehr alles.
Ich erkannte zwar das Gesicht des alten Mannes, ich sah auch das große Dreieck mit dem starren Pendel davor, aber die restliche Umgebung war wie unter einen massigen Sog geraten, als lauerte irgendwo im Hintergrund ein Riesenstaubsauger, der alles in sich hineinzerrte.
Der alte Mann sprach.
Unter den unterschiedlich grünen Augen bewegte sich sein Gesicht. Da schien der dünne Mund plötzlich aus Gummi geworden zu sein. Die Lippen lösten sich voneinander, sie klappten auf, wieder zu, und die Worte, die er mir zuflüsterte, verstand ich genau.
»Sinclair, ich spreche den Fluch über dich! Ich verfluche dich jetzt und für alle Zeiten. Du wirst mich nie mehr loswerden, du wirst immer an mich denken, an mich, an den alten Mann, der dich verfluchte. Nimm diesen Fluch hin, nimm ihn hin!«
Das Metronom bewegte sich weiter.
Tack - tack - tack…
Es war wie der Herzschlag, der den mächtigen Fluch begleiten sollte. Ich war längst nicht mehr ich selbst. Ich bezeichnete mich nur mehr als eine Hülle, als einen Körper, der einfach nur dastand und nichts daran ändern konnte.
Dann verschwammen die Bilder.
Das Metronom schien sich selbständig zu machen. Ich sah nur noch das Pendel. Es zuckte hin und her…
Schneller, immer schneller, immer hastiger…
Ich fiel.
Schrie ich.
Nein, nicht ich, es war der alte Mann, der seinen Fluch in einer Variation noch einmal wiederholte und mir dabei beide Arme entgegenstreckte. »Sei verflucht in alle Ewigkeiten, John Sinclair…«
***
Ich wurde wach. Ich war wieder da. Ich fühlte mich erfrischt wie nach einem langen Schlaf. Zugleich spürte ich auch die Feuchtigkeit in meiner Kleidung und in meinem Gesicht. Sie hatte sich wie dünne Schwaden auf die Haut gelegt, als würden Nebelschleier über mein Gesicht hinwegstreichen.
Aber ich stellte auch fest, daß ich auf dem Boden lag. Auf einer harten und kalten Unterlage, und ich drückte meinen Körper langsam in die Höhe.
In der sitzenden Haltung blieb ich zunächst. Es war kalt, aber nicht windig. Und es war nicht so kalt, als daß ich unbedingt gefroren hätte. Zudem war es dunkel um mich herum.
Ich drehte den Kopf. Nein, nicht so dunkel, wie ich angenommen hatte. Es waren schon Umrisse zu sehen. Besonders vor mir entdeckte ich einen helleren, grauen Ausschnitt, durch den es kalt hereinwehte.
Das mußte eine Tür sein, und ich lag nicht im Freien, sondern in einem Raum.
Ich stand auf.
Es klappte wunderbar. Ich fühlte mich nicht mal schwindlig. Ich blieb stehen, drehte mich langsam, sah die Umrisse der Fenster, und damit kehrte auch die Erinnerung zurück. Es mochte zudem an dem Geruch gelegen haben, der mir nicht fremd war, weil ich ihn vor kurzem schon einmal wahrgenommen hatte.
Der Geruch in einem Haus.
Ein Haus, das einsam stand.
Hoch auf den Klippen, mit einem Blick, der weit auf das Meer hinausglitt. Dieses Haus war mein Ziel gewesen, um dort eine Frau zu retten, deren Tod ich nicht hatte verhindern können.
Und damit war die Erinnerung wieder da. Während ich
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