085 - Flitterwochen mit dem Tod
in einem frisch restaurierten Barocksaal treffen. Ein exzellentes kaltes Büfett wird offeriert. Vierzig Kandidaten an einem einzigen Abend. Können Sie sich dieses Bild vorstellen?"
„Ich glaube, ich kann es", versicherte Coco und senkte die Stimme. Sie blickte tief in die grauen Augen des Direktors. Zwischen ihnen lag der Pergamentumschlag mit dem goldenen Prägeeindruck des Instituts.
„Wer ist der Auserwählte? Wen haben Sie, beziehungsweise wen hat Ihr kluger Computer für mich eigentlich ausgesucht? Ist ein Foto dabei?" fragte sie und konzentrierte sich auf Kern.
Er begann in die hypnotische Trance zu versinken, aber noch antwortete er klar und deutlich auf ihre Fragen.
„Der Herr heißt Frank Deroy und ist Amerikaner. Er ist in Deutschland geboren und sieht hinreißend aus, was Sie gleich feststellen werden. Nicht gerade sehr reich, aber mit einem Spitzeneinkommen. Trotz seines guten Aussehens und seines Charmes ist er bescheiden und rücksichtsvoll. Wenn es nicht so abgedroschen klingen würde, müßte ich sagen: ein junger Gentleman. Aber Sie werden in zwei Tagen selbst Gelegenheit haben, ihn kennenzulernen.“
„Zweifellos", versicherte sie.
Dr. Kern lehnte sich zurück. Die Hypnose begann zu wirken. Coco stellte leise ihre Fragen. Willenlos beantwortete der Mann jede der vielen Fangfragen. Sie versenkte sich tiefer in seine Gedanken und Motive und mußte erstaunt erkennen, daß er harmlos und unschuldig wie ein Kind war - was Dämonie und Schwarze Magie anbetraf. Sonst war er ein durchschnittlicher Mann mit durchschnittlichen Lastern, ohne viele Abenteuer, geschäftlich eher überkorrekt. Er hatte das Eheinstitut zu dem gemacht, was es heute war: eine erstklassige Adresse in aller Welt mit sehr guten Referenzen; ein Haus mit Stil.
Er war überzeugt, daß der Ball im Schloß ein wichtiger Abschnitt seines Lebenswerkes werden würde. Zwanzig Paare mit hervorragenden Namen. Erst nach dem Gelingen des Balles würde er die Presse verständigen. Und es gab nichts, absolut nichts, was auf die Anwesenheit von Dämonen hindeutete. Kern war alles andere als dämonisch. Er beschäftigte sich nicht einmal mit der einschlägigen Lektüre. Er hatte keine Ahnung.
Trotzdem stand es für Coco Zamis fest, daß sich Dämonen des Chefs der Transamorosa bedienten. Er ahnte nicht, daß er nur ihr Werkzeug war; sie steuerten alle seine Handlungen. Coco vermochte sich noch dicht ganz genau vorzustellen, was die Dämonen planten, aber sie würde von Kern weder freiwillig noch unfreiwillig etwas erfahren. Sie mußte sich ihre Informationen an anderer Stelle holen. Noch hatte sie genügend Zeit dazu.
Behutsam entließ sie Dr. Kern aus der Hypnose. Sie sprachen noch über belanglose Dinge, und schließlich erfuhr Coco, daß mindestens zwanzig Gäste dieses Festes in ihrem Hotel abgestiegen waren.
„Das ist eine gute Gelegenheit, sich sozusagen inoffiziell kennenzulernen", scherzte Dr. Kern. „Es steigert die Spannung - und überhaupt hat Geselligkeit noch niemandem geschadet.“
Zum Abschied küßte er Coco wieder die Hand, dann schloß er leise die gepolsterte Tür.
Coco war wieder allein. Sie trat ans Fenster und blickte hinunter in den Hof, in dem Hotelgäste saßen und Kellner hin und her liefen. Es schien ihr plötzlich ein höchst trügerisches Bild des Friedens zu sein.
Sie goß die Kaffeetasse voll, hob das Kognakglas und öffnete den Umschlag, der die komplette Akte des für sie ausgesuchten Kandidaten enthielt. Als erstes betrachtete sie das Bild und war sehr enttäuscht, als sie erkennen mußte, daß es nicht ein Foto Magnus Gunnarssons war. Langsam trank sie den Kognak, dann erst begann sie in Ruhe zu lesen.
In jeder Hinsicht war Frank Deroy ein bemerkenswerter Mann.
Nacheiner halben Stunde lächelte Coco Zamis, aber es war ein Lächeln ohne Humor. Vor ihr lagen die Auskünfte und Selbstauskünfte von Frank Deroy. Nach dem Wortlaut zu urteilen, war er schier ein unglaubliches Wesen, eine Mischung zwischen allen nur denkbaren positiven Eigenschaften. Sein Foto, das Coco gegen das leere Kognakglas gelehnt hatte, vertiefte diesen Eindruck noch. Er war zu schön, um Wirklichkeit zu sein.
„Das läßt sich nachprüfen", murmelte die ehemalige Hexe und spreizte die Finger über dem Bild.
Sie machte einen Bildzauber. Vor ihren Augen begannen die scharfen Konturen des Schwarz-WeißBildes zu verschwimmen. Farbige Schleier und Nebel bildeten sich. Das Bild wurde unscharf, begann langsam sein Aussehen zu
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