085 - Flitterwochen mit dem Tod
freundlich."
Coco spürte die Zehe zwischen ihren Fingern. Sie hob langsam den Kopf und sah auf ihren Schultern die krallenartigen Finger mit den blutrot lackierten Nägeln des Vampirs. Sappho hatte die vollen Lippen weit geöffnet. Die nadelscharfen Vampirzähne stachen deutlich hervor.
Coco versuchte, die Vampirin in Sicherheit zu wiegen. Sie bewegte lüstern die Schultern und stöhnte. Die Klauenfinger packten stärker zu. Der heiße, keuchende Atem, der über ihre nackten Schultern blies, erzeugte bei Coco eine Gänsehaut. Im gleichen Augenblick, als sich die Zähne in die Schulter und den Hals bohren wollten, riß Coco den Arm hoch und stieß die Knoblauchzwiebel in den Rachen der Vampirin. Dann sprang sie schnell nach rechts und lehnte sich gegen die Tür.
Die Folgen waren katastrophal - für Sappho.
Ihre Gier hatte sie blind gemacht. Ihre natürlichen Reflexe hatten im entscheidenden Augenblick nicht funktioniert. Sie biß zu. Ihre Vampirzähne bohrten sich in die Zehe. Sappho gurgelte keuchend und schrie. Dann versteifte sich ihr Körper. Ihre Arme ruderten durch die Luft. Sappho wimmerte.
Es war, als hätte sie ein Starkstromstoß getroffen. Zuerst wurde ihr Gesicht leichenfahl. Die Muskeln zeichneten sich ab. Sappho hatte nun das Gesicht einer uralten Frau. Dann wechselte die Farbe des Körpers. Aus dem fahlen Weiß wurde ein bläßliches Grün, und schließlich rötete sich die Haut des Gesichts, am Hals und an den Schultern.
Die Vampirin begann zu taumeln und fiel gegen die Waschbecken. Immer wieder versuchte sie, die Knoblauchzehe zwischen den Zähnen hervorzuwürgen, aber die Hand gehorchte ihr nicht. Sie knallte gegen die Tür zur Toilette. Die Tür sprang auf und schlug hinter Sappho wieder zu.
Coco fischte die Seife aus dem Wasser und trocknete sich die Hände ab. Es stank plötzlich nach Schwefel und Verwesung.
Hinter der Tür übergab sich die Vampirin. Für die nächste Zeit würde Sappho jede Lust verloren haben, ihre menschliche Maske fallenzulassen. Coco verließ den Raum. Vor der Tür wartete - niemand.
Ein Verdacht keimte in ihr auf. Der junge Mann hatte ihr die Knoblauchzehe in die Hand gedrückt, weil er Coco nicht an Sanya hatte verlieren wollen.
Mit einem kalten Lächeln sah sich Coco um. Irgendwo dort drüben stand ihr Auserwählter Frank Deroy. Auch er war ein Dämon, wie sie bereits wußte. Wo war der junge Mann? Langsam ging sie auf die Stelle zu, an der sie das Sektglas zurückgelassen hatte.
Plötzlich befand sich Magnus Gunnarsson neben ihr und fragte mit seiner ruhigen, dunklen Stimme: „Sie sehen aus, als ob Sie ein höchst unangenehmes Erlebnis hinter sich hätten. Hat Sappho ihre spitzen Zähne in Ihr begehrenswertes Fleisch schlagen können?"
Coco fuhr herum und starrte ihn verwundert an.
„Woher wissen Sie, was dort drinnen passiert ist?" fragte sie leise.
Er hob gleichmütig die Schultern und antwortete: „Kommen Sie! Trinken Sie ein Glas! Das wird Sie beruhigen. Ich habe Sie doch mehrmals gewarnt. Ich weiß ein bißchen mehr als Sie."
„Ich bin verwirrt", gestand sie. „Und nicht nur Ihretwegen."
Er schien dieses Kompliment selbstverständlich zu finden und wartete, bis sie beide Sektschalen in den Händen hielten.
„Auch Frank Deroy ist natürlich ein Dämon. Ebenso der junge Mann, der Ihnen die Knoblauchzwiebel gegeben hat. Sappho ist auf mich angesetzt worden. Die Nacht verspricht interessant zu werden. Noch etwas: Vertrauen Sie mir, Miß Zamis?"
Sie trank und blickte prüfend in seine blauen Augen. Sie blieben ausdruckslos.
„Abgesehen davon, daß Sie der Mann der Geheimnisse sind", sagte Coco nachdenklich, ,ja. Ich glaube, ich vertraue Ihnen, Magnus."
„Wie schön!" entgegnete er. „Dann bitte ich Sie, in der nächsten Viertelstunde den Saal durch den Haupteingang zu verlassen, nach links zu gehen und im Nebengebäude zu verschwinden. Dort erwartet Sie eine sehr angenehme, wünschenswerte Überraschung."
„Sie sagen mir nicht, worum es sich handelt?"
Magnus schüttelte leicht den Kopf. Sicher und schnell glitt sein Blick über die Gäste. Noch immer spielte die Musik, aber niemand tanzte. Sie standen alle am Büfett oder in kleinen Grüppchen zusammen.
Sappho war noch nicht wieder in den Saal zurückgekommen.
Dr. Kern ging von einer Gruppe zur anderen, rief Scherzworte, stellte die Gäste einander vor, parlierte und schien sich wohl zu fühlen. Er hatte keine Ahnung, wie dünn diese flimmernde Oberfläche in Wirklichkeit war. Sappho
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