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085 - Von den Morlos gehetzt

085 - Von den Morlos gehetzt

Titel: 085 - Von den Morlos gehetzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter T. Lawrence
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und leuchtete zitternd mit der Kerze in das gähnende Loch hinein.
    Fast hätte er aufgeschrien.
    Mrs. Benneth kauerte genau unter ihm, den Rücken gegen die Kopfwand des Sarges gelehnt, mit angezogenen Beinen. Der Kopf ruhte, wie bei einer Schlafenden, auf den Knien.
    Es war ein scheußlicher Anblick und befremdend zugleich. Tote liegen in der Regel im Sarg. Warum nahm dieser schreckliche Rest von einem Menschen nur einen Teil des normal langen Sarges ein?
    Mit einem Ruck zog er den Deckel wieder zu, ging an das andere Ende, hob ihn an und schob ihn, wie zuvor am Kopfende, zur Seite. Ohne auch nur einen einzigen Blick auf die zusammengesunkene, kauernde Tote zu werfen, beugte er sich über den Rand tief nach unten und leuchtete mit der Kerze den Boden ab. Sekunden später hatte er den runden Eisenring entdeckt, der mitten auf dem Boden des Sargs befestigt war.
    Überlegend stand er da, die Finger in den Ring gehakt, mit der dumpfen Ahnung, daß diese Tür, die sich ihm gleich öffnen würde, die Schwelle zum Grauen sein konnte. Er nahm sich Zeit, sein Gehirn arbeitete langsam. Noch lag es an ihm selbst, an diesem Ring zu ziehen, oder die Gruft auf schnellstem Wege zu verlassen.
    Wieder wurde er vom Grauen gepackt, doch schließlich gewann die Neugierde den lautlosen Zweikampf seiner Gedanken. Er mußte weiterforschen. Die Menschheit hatte ein Recht darauf, zu erfahren, daß es ihr ähnliche Wesen gab, die im Verborgenen lebten, tief unter der Erde, fern vom Licht der Sonne, der klaren, reinen Luft, den blauen Seen, den Meeren und dem harzigen Geruch weiter, saftiggrüner Wälder. Kreaturen, die sich vielleicht vor unendlich langer Zeit unter der Erde verkrochen hatten, weil man sie nicht unter den Menschen duldete. Wesen, denen er helfen mußte, ihre Angst vor den Menschen zu verlieren.
    Noch zögerte er, dann spannte er fest entschlossen die Muskeln, schloß die Finger fest um den Ring und begann zu ziehen.
    Der Schein der Kerze fiel auf eine braune, rostige Metalleiter, die irgendwo in lichtloser Tiefe verschwand. Ein letzter Ruck, und die geöffnete Luke lehnte senkrecht an der Innenwand des Sarges. Vorsichtig schwang er die Beine über den Rand, tastete mit den Füßen nach der ersten Stufe und klomm Sprosse für Sprosse, immer noch die brennende Kerze in der Rechten, die Leiter hinab.
    Hundertundvierzig Stufen zählte er, dann stand er auf festem steinigen Boden. Seine Knie zitterten von der anstrengenden und ungewohnten Kletterpartie, und er fröstelte nicht mehr. Nur der dumpfe, modrige Geruch beherrschte auch hier die sauerstoffarme Luft der Tiefe.
    Irgendwo, in einiger Entfernung hörte er die schlurfenden Schritte vieler Füße und einen monotonen, undefinierbaren Singsang, der, wie ein unsichtbarer Wurm aus der engen Tunnelöffnung kroch, vor der er hier am Ende der Leiter stand.
    Geh zurück, warnte ihn eine innere Stimme. Laß sie leben in ihrer Welt der Anonymität und Finsternis. Lauf eilends nach Hause und vergiß all das, was du bisher gesehen hast.
    Er atmete tief durch, dann ließ er die Leiter los. Langsam sank er in die Knie, streckte den Arm mit der Kerze weit in den tunnelartigen Schlund und kroch auf allen Vieren hinein.
    Minuten verstrichen, der schmale, fast runde Gang schien kein Ende zu nehmen. Seine Knie begannen stark zu schmerzen, aber immer weiter trieb es ihn nach vorn. Etwa dreißig Meter mochte er so in leichtem Winkel stetig nach unten gekrochen sein, als er am Ende des Ganges einen rötlichfahlen Lichtschein bemerkte.
    Ich muß vorsichtig sein, dachte er. Auf keinen Fall dürfen sie mich sehen. Erst muß ich sie beobachten und mich still verhalten.
    Er legte eine kurze Pause ein, blies die Kerze aus und verstaute sie, nachdem er das weiche Wachs abgeschüttet hatte, in der Manteltasche. Unendlich vorsichtig und behutsam kroch er dann weiter auf das schwach erleuchtete Ende des Ganges zu.
    Gleich, dachte er. Gleich hab ich’s geschafft.
    Dann erstarrte er mitten in der Bewegung! Hinter sich, dicht hinter sich, hatte er soeben ein schrilles Fiepen gehört.
     

     
    „Wußte ich’s doch!“ sagte ich und tippte auf eine Seite des alten Götter- und Heldenbuches, das mir vor Jahren von einem Freund geschenkt worden war. „Warren sprach von den ‚Morlos’, als er von seinen kleinen, dicken Wesen erzählte. In diesem klugen Buch steht nun, daß nach der alten, griechischen Bibel bis ins 8. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung die Assyrer und Phönizier einen Gott namens

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