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085 - Von den Morlos gehetzt

085 - Von den Morlos gehetzt

Titel: 085 - Von den Morlos gehetzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter T. Lawrence
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Luft aus der Brust seines Gegners wich. Die Kreatur wurde zurückgeschleudert, prallte gegen die Seitenwand der Röhre und stieß wieder diesen schrillen, unheimlichen Laut aus.
    So rasch er konnte, rappelte Warren sich auf, kam auf die Knie, sprang wieder nach vorne. Doch dieses Mal verfehlte er den unsichtbaren Gegner, und seine Faust knallte gegen die Wand. Brennender Schmerz durchfuhr ihn, er war überzeugt, daß die Knöchel gebrochen waren. Er griff, grapschte ein zweites Mal ins Dunkel, bekam für einen winzigen Augenblick eine kleine, dicke und weiche Hand zu fassen, die sich aber sofort seinen starren Fingern entzog.
    Dann plumpste die Kreatur auf seinen Rücken. Er wunderte sich über ihr Gewicht, als sie auf ihn fiel, riß all seine Kraft zusammen und wälzte sich auf den Rücken. Doch sein Gegner wich nun nicht mehr, kauerte auf ihm wie ein Affe und versuchte beharrlich, die kurzen, weichen Finger in seine Augen zu stoßen.
    Warren wehrte sich mit der Verzweiflung eines verwundeten Tieres. Aber hier, tief unter der Erde, wo die Dunkelheit zu Hause war, hatte er keine Chance. Er zog verzweifelt die Knie an den Brustkorb, um das schreckliche Wesen durch einen harten Tritt von sich zu schleudern, doch das fiepende und schnaufende Monstrum wich flink zur Seite und versetzte ihm gleichzeitig einen lähmenden Schlag gegen die Stirn.
    Er stöhnte auf, fühlte deutlich, wie seine Kraft zu erlahmen begann. Ein kleiner, fetter Arm preßte sich nun auf seine Kehle und drückte unerbittlich zu. Warrens Widerstand schwand dahin, feurige, funkelnde Gebilde tanzten vor seinen Augen, und die Schmerzen in seinem Kopf, der Kehle und den zerschundenen Händen rannen wie eine wogende, elektrische Welle durch seinen Körper.
    Aus. Er hätte es sich denken können! In der Dunkelheit war ihm sein Gegner immer überlegen.
    Gnadenlos kauerte die Kreatur wieder auf seiner Brust. Er spürte dessen übelriechenden, heißen Atem im Gesicht. In seinem Kopf dröhnte und hämmerte das Blut in den Schläfen. So also fand er sein Ende.
    Er schafft es in der Dunkelheit, kam ihm ein Gedanke. Seine Augen sind auf die Dunkelheit eingestellt, aber ich bin wie blind.
    Mein Gott! Das war es. Würde er jetzt noch die Kraft und die Zeit haben, das Versäumte nachzuholen? Würde er es schaffen?
    Seine Hand gehorchte ihm kaum mehr. Er wußte, daß sich die Finger bewegten. Daß sie sich instinktiv den richtigen Weg suchen würden. Und er wußte, daß er verloren war, würde er sich jetzt, in diesen letzten Sekunden seines Bewußtseins, aufgeben.
    Die Schwelle! Er fühlte, spürte, sah sie. Drüben der Tod, hier das Leben und das Licht! Seine Hände kamen wieder nach oben, entsetzlicher, quälender Schmerz schien ihn zu zerreißen.
    Er sah nichts mehr, hörte nichts. Fühlte nicht, daß sich seine blutenden, steifen Finger bewegten, wie sie es seit dreißig Jahren in regelmäßiger Gewohnheit taten. Erst als der furchtbare Druck von seinem Kehlkopf wich und das Hämmern in den Schläfen nachließ, sah er, daß seine rechte Hand ein hellflackerndes Zündholz in die Höhe hielt.
    Dahinter die furchtbare, verzerrte Fratze eines ekelhaft fetten Geschöpfes, das geblendet von der plötzlichen Helligkeit die kleinen, fleischigen Hände schützend vor die Augen preßte.
    Mit der letzten Kraft, die ihm verblieben war, rammte Warren die eisenbeschlagenen Absätze seiner Stiefel in die weiche Masse des vor ihm schwebenden Gesichtes.
     

     
    Laura setzte sich in den Sessel, nahe beim Tisch und sah mich mit Panik in den Augen an. Ihr hübsches, sonst leicht gebräuntes Gesicht war von erschreckender Blässe.
    „Die Hexe!“ sagte sie. „Was hat Mrs. Tichles mit dieser Hexe zu tun?“
    „Was es auch ist“, antwortete ich mit einem Rest von Ironie in der Stimme. „Unsere jährlichen Tantiemen können wir ab heute abschreiben. In dem Buch haben wir einen schauerlichen Justizmord beschrieben und nun das! Kleine, dicke Morlos, ein Medium und schließlich eine Hexe, die vor knapp hundert Jahren zur Belustigung der Leute in der Themse ersäuft wurde.“
    Claire M. Benneth war durch ein sogenanntes Gottesurteil gestorben. Gefesselt und geknebelt und in einen Sack gewickelt hatte man sie in die Themse geworfen. Wenn sie oben blieb, war sie eine Hexe und wurde verbrannt. Ertrank sie, so war sie unschuldig und von der Anklage freigesprochen.
    Claire M. Benneth ertrank. Darum wurde sie in der geweihten Erde des St. Georges Friedhofes beigesetzt. Und nun stand ihr

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