0854 - Jäger der verlorenen Seelen
schlimmer gekommen ist, alter Junge.«
»Ja, bin ich auch.«
»Das hat sich aber nicht so angehört.«
»Vergiß es.« Travers humpelte auf die Frauen zu, die dicht vor der Hecke standen, aber zu klein waren, um über sie hinwegschauen zu können. Sie sahen wohl im Hintergrund den Turm der Kirche. Das Pfarrhaus war nicht zu sehen, auch nicht das kleine Haus des alten Küsters. Beide Bauten lagen auf der gegenüberliegenden Seite des Areals.
»Sie sind nicht da«, sagte Alida leise.
Ihr Mann lachte. »Hast du denn damit gerechnet, daß sie uns beim Aussteigen schon erwarten?«
»Ich hatte es zumindest gehofft.«
»Nein, Alida, das kannst du vergessen, wirklich. Sie werden ihre eigenen Pläne haben, davon bin ich fest überzeugt. Hier gibt es auch zuwenig Deckung für sie, das sieht auf dem Friedhof anders aus.«
»Brauchen Sie das denn? Als Geister, meine ich?«
»Keine Ahnung.«
»Seid ihr bereit?« fragte Gordon.
Wayne nickte. »Ja, ich werde uns die Lücke schaffen.« Er ging auf die natürliche Mauer zu. Es war nicht einfach, eine Lücke zu schaffen. Er mußte die Zweige erst zur Seite biegen, die Frauen halfen ihm dabei und hielten den Weg für Gordon Travers frei, der als erster den Friedhof humpelnd betrat und sich dabei wieder über sein eigenes Schicksal beschwerte.
Man konnte über den Friedhof verschiedene Meinungen haben.
Die einen fanden ihn typisch für die Landschaft, die anderen waren der Ansicht, daß er zu düster war, auch bedingt durch die dichtbelaubten Bäume, die doch einen Großteil des Sonnenlichts auch im Hochsommer filterten.
Der Rasen war weich, die Erde nicht mehr hart, und sie rochen auch die beiden Komposthaufen, die hier aufgebaut worden waren.
Sie glichen riesigen Holzkisten und waren dort hingestellt worden, wo es keine Gräber gab. Überhaupt war diese Seite ziemlich leer und gehörte nicht zum Renommierteil des Totenackers. Das würde anders werden, wenn man mehr Platz für die Toten brauchte. Noch reichte der normale Teil des Friedhofs für einige Jahre. Hin und wieder wurde auch an der Westseite das Unkraut gezogen und der Platz von anderem Wildwuchs befreit. In diesem Jahr war es noch nicht geschehen, und so hatten sich die Pflanzen ausbreiten können, hin und wieder unterbrochen von wild wachsenden Frühlingsblumen, die trotz ihrer Farbe dieser Gegend nicht das Bedrückende nehmen konnten.
Keiner der vier Ankömmlinge fühlte sich hier gut.
»Ob wir das richtig gemacht haben?« fragte Kate. Sie warf einen Blick zum Himmel, als gäbe er ihr eine Antwort.
Das geschah nicht.
Auch die Freunde schwiegen.
Gordon Travers war stehengeblieben. Er stützte sich auf seinen Stock ab und bewegte den Kopf. Kate hielt sich an seiner Seite. Sie war ziemlich blaß geworden, kaute auf der Unterlippe und atmete oft schnaufend ein. Sie fühlte sich alles andere als wohl, sagte aber nichts.
Alida schwieg ebenfalls. Sie tat es Kate nach und bewegte sich nicht. Anders ihr Mann. Der suchte die Umgebung ab. Er entfernte sich nie weit, aber er wirkte, als hätte ihn eine notorische Unruhe erfaßt, die nie mehr weichen würde.
Sie warteten.
Die Zeit verstrich, und eigentlich waren nur Fred Waynes Tritte zu hören. Er trat Unkraut und Gras platt, blieb schließlich stehen und erklärte seinen Freunden, daß er auch an der anderen Seite der beiden Komposter nachschauen wollte.
»Was willst du denn dort finden?« fragte Alida.
»Ich weiß es noch nicht.«
»Paß aber auf.«
»Immer doch.«
Keiner von ihnen sprach es aus, aber ihre Gedanken drehten sich nur um ein Problem.
Kam das Monstrum? Hatte es ihre toten Kinder im Griff? Würde es über sie herfallen.
»Wir werden noch einige Minuten warten«, flüsterte Gordon Travers seiner Frau zu. »Wenn dann nichts geschehen ist, fahren wir zu den Sinclairs. Einverstanden?«
»Da brauchst du mich nicht zu fragen, Gordon. Ich war sowieso skeptisch, was diesen Trip angeht.«
»Da kann ich dir beim besten Willen nicht widersprechen.«
Ihr Freund Fred war nicht zu sehen. Er hielt sich jenseits der beiden Komposter auf. Sie hörten ihn auch nicht und rechneten auch nicht, daß er Erfolg haben würde, dann aber klang sein Ruf auf, der beinahe schon einem Schrei glich und die Wartenden zutiefst erschreckte.
»Kommt her – schnell!«
»Sie sind da!« zischelte Alida. »Unsere Kinder sind bestimmt da!«
Ihre Augen glänzten. Sie drehte sich um und rannte dorthin, wo ihr Mann stand.
Kate und Gordon folgten ihr langsamer. Der Mann mußte
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