0854 - Jäger der verlorenen Seelen
einen normalen Auges auf Mary Sinclair gerichtet.
Er wirkte wie jemand, der sich nicht entscheiden konnte, das eine oder das andere zu tun.
Und plötzlich schrie auch Mary Sinclair!
Sie besaß keine Waffe, mit der sie sich hätte verteidigen können.
Der Schrei war für sie die einzige Möglichkeit, Kunden oder Helfer aufmerksam zu machen.
Das schien auch der Unheimliche zu wissen. Er sprang mit einem steifen Satz zurück. Blieb noch für einen Moment stehen, schaute sich einige Male um und rannte mit langen Schritten davon. Wie ein bockender Schatten verschwand er im Hintergrund der Lagerhalle, wo das Licht nicht hinreichte und ihn die Schatten verschluckten.
Und die beiden Travers-Kinder?
Mary Sinclair war fest davon überzeugt, sie gesehen zu haben, aber als sie dorthin schaute, wo sie hätten stehen müssen, da waren sie nicht mehr zu sehen. Sie hatten sich zurückgezogen oder sich aufgelöst. So genau wußte sie das nicht.
Irgendwo im Hintergrund vernahm sie ein dumpfes und trotzdem hallendes Geräusch, als wäre dort eine Tür zugeworfen worden. Der letzte Fluchtweg des Monstrums.
Es gab nur noch Gordon Travers, der auf dem Boden lag und sich bemühte, auf die Beine zu kommen. Mary Sinclair entdeckte auch die Leiter und konnte sich leicht ausrechnen, was geschehen war, zudem der Kaufmann Schwierigkeiten mit seinem rechten Bein hatte. Es mußte verstaucht oder verrenkt sein, er zog es hinter sich her, als er nach einem Halt suchte, um sich dort in die Höhe zu ziehen.
Marys Schrei hatte gewirkt!
Sie hatte gar nicht gewußt, daß derart viele Kunden den Laden bevölkerten. Plötzlich waren sie da. Fragen stürzten kaskadenartig auf sie nieder, doch sie wehrte alle ab und deutete auf Gordon Travers.
»Ihm müßt ihr helfen. Wahrscheinlich ist er von der Leiter gefallen und kann sich kaum bewegen.«
Zuletzt erschien auch Kate Travers. Sie lief schnell, und das braune Haar umwirbelte das Gesicht. »Was ist denn passiert?« rief sie.
»Ihr Mann ist wohl von der Leiter gefallen!«
»Was?« Kate starrte in die Lagerhalle. Ihre Augen hatten sich geweitet, und sie schluckte, obwohl sie nichts im Mund hatte. Ein Mann und eine Frau waren dabei, dem Kaufmann auf die Beine zu helfen. Er stand, aber er konnte nicht beide Beine mit seinem Gewicht belasten. Das rechte wollte ihm immer wegknicken.
Kate ließ Mary Sinclair stehen und lief auf ihren Mann zu. Es war gut, daß diese Ausrede plausibel klang und auch plausibel aussah.
Die Wahrheit hätte sowieso niemand geglaubt oder vertragen können. Mary fragte sich, wie Travers selbst wohl mit ihr fertig werden würde.
Sie fing einen Blick von ihm auf.
Es war nur kurz, aber lange genug für sie, um zu wissen, daß auch Travers informiert war. Er hatte die Geister seiner ertrunkenen Kinder gesehen, ebenso wie Mary Sinclair.
Und sie fragte sich, wie sich der Fall weiterhin entwickeln würde.
Sie konnte nur auf ihren Sohn hoffen und war jetzt mehr als froh, daß er nach Lauder gekommen war…
***
Mein Vater und ich befanden uns auf dem Rückweg. Ich fuhr den Range Rover, und wir waren beide auf der ersten Hälfte der Strecke ziemlich schweigsam.
Jeder hing seinen Gedanken nach und rekapitulierte das, was wir entdeckt hatten.
Es war schaurig und schlimm gewesen.
Meine Eltern hatten mich praktisch nach Lauder geholt, damit ich das Verschwinden vier junger Menschen aufklärte, die mit dem Boot gekentert waren.
So zumindest sah es aus. Aber man hatte ihre Leichen trotz einer großen Suchaktion nicht gefunden. Später waren Nelly und Jimmy Wayne dann ihrer Mutter als Geister erschienen und hatten erklärt, daß sie keine Ruhe im Reich der Toten finden konnten.
So etwas war ein Fall für mich. Ich hatte auch nicht gezögert und war mit meinem Vater zum See gefahren, wo die vier jungen Leute die Bootsfahrt unternommen hatten. Auch ich war mit dem Schlauchboot auf das Wasser hinausgefahren, und es war plötzlich zu einer unheimlichen Begegnung gekommen, denn auf der Mitte des Sees waren mir die vier Geister der Ertrunkenen erschienen. Ich hatte sie sehr deutlich gesehen. Sie waren wie ein feines Glasgespinst aus dem Wasser gestiegen und hatten eine magische Aura um sich herum verbreitet, in die ich ebenfalls hineingeraten war. Mit meinem Kreuz als Katalysator war mir dabei ein Blick in die Vergangenheit gelungen, und ich hatte wie in einem Film den Tod der vier jungen Leute erlebt.
Ertrunken waren sie wohl nicht. Kurz bevor dies geschehen konnte, war eine Gestalt
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