0855 - Kalis Würgertruppe
Mandra drehte sich vom Tresen weg und schaute sich in der Halle um. Es war wie bei vielen Firmen, auch hier waren die Produkte ausgestellt worden, mit denen Rasani handelte. Die Teppiche bedeckten die Wände, waren aber durch Glas geschützt, und Mandra Korab, zwar kein Kenner, aber immerhin ein Fachmann, schaute sich die Muster interessiert an. Er sah schon auf den ersten Blick, daß diese ausgestellten Einzelstücke von Künstlern hergestellt worden waren. Jeder Teppich hatte ein anderes Motiv, das sich mit der indischen Mythologie beschäftigte. So waren Monstren, Dämonen, aber auch Götter zu sehen. Auf einem Teppich entdeckte der Inder sogar eine stilisierte Abbildung der Göttin Kali. Selbst die um ihren Hals hängende Kette aus Menschenköpfen war Teil des Musters. Mandra registrierte es, und er stellte sich selbst die Frage, ob er ein derartiges Motiv schon in seiner Heimat gesehen hatte. Das war nicht der Fall, zumindest konnte er sich nicht daran erinnern.
Dieser Teppich aber gab ihm die Gewißheit, daß Adsam Rasini in einer bestimmten Verbindung zu der Todesgöttin stand.
»Sir…?«
»Ja!« Mandra drehte sich um. Er ging die wenigen Schritte bis zum Empfang und blieb dort stehen.
Die Frau schaute ihn etwas unsicher an. Es war wohl der Eindruck, den Mandra hinterließ. »Sie sind nicht angemeldet, wie mir aus dem Vorzimmer gesagt wurde.«
»Stimmt.«
»Ja und… ahm … jemand wird hier erscheinen und sich um Sie kümmern.«
»Das ist nett.«
»Es ist nicht der Chef.«
Mandra lächelte schmal. »Das hatte ich mir schon gedacht.«
Dieser Jemand war schnell da und entpuppte sich als Landsmann von Mandra Korab. Ein kleiner Mensch, der zu Mandra hochschauen mußte. Er hieß Sakira, trug einen blauen Anzug und ein weißes Hemd darunter. Die Krawatte war stark gemustert, sie gefiel Mandra nicht.
Beide nahmen auf einer Sitzgruppe Platz. »Adsam Rasani ist sehr beschäftigt wie Sie sich vorstellen können, Mr. Korab. Da Sie jedoch ein Landsmann sind, bin ich zu Ihnen gekommen. Wenn Sie mir sagen würden, um was es geht, könnte ich einen Termin vereinbaren.«
»Nein, das werde ich Ihnen nicht sagen. Ich möchte mit dem Chef selbst sprechen.«
»Aber das ist ohne Voranmeldung nicht möglich.«
»Tatsächlich nicht?«
»Ja.«
Mandra lächelte. Und während er lächelte, schaute er diesen Sakira nur an. Der versuchte noch, dem Blick der unergründlich und faszinierenden Augen zu entgehen, das aber war ihm nicht möglich.
Mandras Blick hielt ihn gefangen oder gefesselt, er nahm dem Mann den eigenen Willen. Sakira mußte das Gefühl haben, in einen tiefen Schacht zu sinken, das wußte Mandra aus Erfahrung.
»Wann bringen Sie mich zu Ihrem Chef?«
Sakira keuchte. Er strich über seine Stirn. Dann nickte er. »Wir werden sofort gehen.«
»Ich danke Ihnen.«
Die beiden Männer erhoben sich zugleich und schritten auf eine Glastür zu, verfolgt von den verwunderten Blicken der Empfangsdame, die nicht damit gerechnet hatte, daß der Besucher zum Chef persönlich gebracht wurde.
Sie konnten zwischen einer Treppe und einem Fahrstuhl wählen.
Sie entschieden sich für den Lift.
Sakira sprach nicht. Er stand Mandra gegenüber. Der Ausdruck in seinen Augen war ein anderer geworden, und in der Tat hatte ihn der Mann aus Indien hypnotisiert. Er würde nichts unternehmen, zu dem Mandra nicht die Einwilligung gegeben hatte.
In der ersten Etage stiegen sie aus.
Ein sehr nüchterner Gang mit weißen Wänden nahm sie auf. In diesem Bereich wurde gearbeitet. Hinter den Türen hörte Mandra die Stimmen der Mitarbeiter wenn sie telefonierten. Er vernahm auch das leise Rattern der Drucker und die Geräusche der Schreibmaschinen. Seine Sinne waren voll und ganz auf die Umgebung konzentriert.
Sakira ging vor ihm her wie ein Zwerg, der den Riesen zu seiner Höhle führt.
An der vorletzten Tür blieben sie stehen. Mandra erwischte einen Blick auf das Schild neben der Tür. Er las, daß Sakira der Assistent war, vielleicht auch so etwas wie ein männlicher Sekretär.
Das Büro war klein. Muster von Teppichen hingen an den Wänden. Es roch nach Wolle, und auch auf dem Schreibtisch stapelten sich die Muster.
»Ich finde den Weg allein, Sakira. Sie können sich setzen.«
»Sehr wohl.« Wie ein gehorsames Kind nahm der Inder hinter seinem Schreibtisch Platz, den Blick nach vorn gerichtet. Mandra sah nicht ein, daß er ihn schon jetzt aus seinem Zustand erlöste, er wollte erst mit Rasani persönlich reden.
Dabei
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