0855 - Spektrum des Geistes
anpassen. Sie brauchen einen Agenten, der ..."
„Sei still!" schrie sie ihn an. „Du weißt nicht, was du redest. Es ist unser Kind, Harzel..."
„... das unter dem Einfluß der Psychode gezeugt wurde", vollendete er den Satz. Er setzte sich auf und packte sie an den Armen. „Du wirst dieses Kind kriegen, Virna, das läßt sich nicht mehr verhindern. Aber wenn du es zur Welt gebracht hast, dann vergiß es. Schenke ihm keinen Blick, verschwende keinen Gedanken an es. Laß es auf Zwottertracht und gehe nach Gäa zurück. Das mußt du mir versprechen. Schwöre es mir!"
„Aber..."
„Leiste diesen Schwur. Um deinetwillen!"
„Harzel, du tust mir weh ... Ich schwöre. Bitte, laß mich los, ich schwöre alles, was du willst."
Er ließ sie los und lehnte sich erschöpft gegen die Wand.
„Mehr kann ich nicht tun. Sie nehmen mir alle Kraft." Er stand auf. „Leb wohl, Virna. Du hast mir die größte Enttäuschung meines Lebens gebracht, weil du mir auf dem Weg zur vermeintlichen Erleuchtung nicht folgen wolltest. Aber jetzt bin ich froh, daß du dich herausgehalten hast."
Er konnte sich kaum auf den Beinen halten, so schwach war er. Sich an den Wänden abstützend, verließ er die Kammer. Lange Zeit hörte sie seinen unsicheren Schritt noch durch die Gänge hallen.
Sie saß lange reglos da, bis sie sich entschloß, ihm zu folgen. Sie holte ihn nicht mehr ein, sondern fand ihn in seinem Museum auf dem Boden liegen. Umgeben von den kalten Kulturzeugen eines vergangenen Volkes, für die er gelebt hatte - und die ihn schließlich getötet hatten.
Auf welche Weise auch immer.
Virna schrie auf, als eine Schmerzwoge ihren Körper durchraste. Sie raffte sich mit letz-ter Kraft auf und verließ die unheimliche Halle.
„Blinizzer!" rief sie. „Es ist soweit ... die Wehen ..."
„Blinizzer hilfreich", hallte der Gesang des Zwotters durch den Korridor.
6.
Als alles vorbei war, erschien es Virna rückerinnernd viel schrecklicher als zum Zeitpunkt des Geschehens. Denn da war ihr Wahrnehmungsvermögen, durch den ziehenden Schmerz in ihrem Körper getrübt, die Sinne abgestumpft.
Es war auch jetzt noch alles wie hinter einem Schleier verborgen, aber völliges Verges-sen war ihr nicht gegönnt.
Die ersten Wehen waren ihr am deutlichsten in Erinnerung. Es war kein unerträglicher Schmerz gewesen, die Wehen kamen nur zu unerwartet.
Aber sie hielt tapfer durch. Blinizzer war sofort zur Stelle und brachte sie zum Gelände-wagen. Auf ihre Frage, warum sie ihr Kind nicht hier bekommen könne und wohin er sie bringe, hatte er einen unverständlichen Gesang von sich gegeben.
Dann ging es los. Gleich hinter den letzten Kakteen der Oase waren sie in einen Sandsturm gekommen. Blinizzer übertönte das enervierende Geprassel der Sandkörner auf der Karosserie.
Nachdem der Sturm abgeflaut war, sang er in seiner Muttersprache ein einschmeicheln-des Lied. Virna empfand das als überaus beruhigend. Sie hätte gerne geschlafen, aber das dumpfe Wogen und Ziehen in ihrem Körper ließ sie nicht zur Ruhe kommen.
„Sing weiter, Blinizzer", bat sie, als er verstummte. Aber der Zwotter brachte nur ein un-artikuliertes Krächzen über die Lippen. Zweifellos verkraftete er die Situation seelisch nicht. Er hatte noch nie eine schwangere Frau gesehen, und noch weniger war er in die Lage gekommen, Geburtshilfe zu leisten.
Virna wurde im Fond des Wagens ordentlich durchgeschüttelt. Manchmal hob sie den Kopf, um zu sehen, wo sie waren. Aber das Gebiet, durch das sie kamen, war ihr fremd.
Irgendwann stellte sie fest, daß sie in eine Schlucht einfuhren. Blinizzer gab seltsame Laute von sich.
„Armer Blinizzer, das hättest du dir sicherlich nicht träumen lassen."
„Nie mehr Traum!" bestätigte der Zwotter. „Blinizzer höchst nervös-gradig."
Der Wagen hielt. Blinizzer stieg nicht aus. Er gab nur ein durchdringendes Geheul von sich. Virna öffnete den Wagenschlag, da sah sie zwei Zwotter auf sie zukommen. Sie stimmten mit Blinizzer einen Kanon an, dann nahmen sie sich Virnas an. Blinizzer fuhr ohne ein Wort des Abschieds davon. Virna wurde in eine Höhle gebracht. Dunkelheit um-fing sie.
Von überall her erklangen qualvolle Schreie. Virna fragte sich, ob das hier so etwas wie die Gebärstätte der Zwotter war. Panik stieg in ihr auf. Sie fürchtete, daß sie sich irgend-welchen barbarischen Ritualen würde unterwerfen müssen. Aber obwohl ihre Befürchtun-gen nicht in vollem Umfang zutrafen, wurde die Zeit in dieser Höhle zu
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