0855 - Spektrum des Geistes
mich nach Zwottertracht fliegen?"
„Das ist nicht zu machen. Ich habe mich entschlossen, für eine Weile in Soltown zu blei-ben."
„Ich werde Sie gut bezahlen", versprach sie, holte eine Kreditkarte hervor und legte sie vor ihn auf den Tisch. „Hier nehmen Sie, das sind meine gesamten Ersparnisse. Sie kön-nen darüber verfügen."
„Es geht mir nicht um Geld", sagte Galinorg fest. „Wenn es sein müßte, würde ich Sie auch umsonst an jeden gewünschten Ort fliegen. Aber ich meine, daß Sie in Ihrem Zustand auf Gäa besser aufgehoben sind."
„Es ist Harzels Kind", sagte sie.
„Das macht keinen Unterschied. Sie hätten sich über die möglichen Folgen im klaren sein müssen, bevor Sie sich mit einem Vaku-Lotsen einließen. Sie können Harzel-Kold jetzt nicht zur Rechenschaft ziehen."
Galinorg hatte alles gesagt. Er wollte sich das Gejammer der Gäanerin, die sich mit ihrem Kind im Stich gelassen fühlte, nicht länger mehr anhören. Er stand auf.
„Sie mißverstehen meine Situation", sagte sie und schluchzte auf einmal. „Wenn es nach mir ginge, würde ich bestimmt nicht nach Zwottertracht zurückkehren wollen. Es ist das Ungeborene, das mich dazu treibt. Das Kind hier", schrie sie und trommelte sich ver-zweifelt auf den prallen Leib, „drängt mich zu dieser Handlungsweise!"
„Das Kind?" staunte Galinorg. Er setzte sich wieder, ohne daß es in seiner Absicht lag.
„Wie kann ein Ungeborenes Sie beeinflussen?"
„Es klingt unglaubwürdig, und doch ist es so", behauptete sie. „Wer sollte mich denn sonst gegen meinen Willen dazu bringen können, nach Zwottertracht zu wollen? Es ist nicht mein Wille, sondern der des Kindes."
Galinorg dachte an Harzel-Kolds Sammlerleidenschaft. Ihre Expedition zum fünften PROV-Planeten hatte den Zweck gehabt, ein Kunstwerk zu suchen, das Harzel-Kold Auf-steigende Tränen nannte. Er war bitter enttäuscht gewesen, daß sie es nicht gefunden hatten. Galinorg fragte sich, ob zwischen den als verboten geltenden Kunstwerken und dem Schicksal dieser Frau ein Zusammenhang bestand? Dieser Gedanke erregte ihn auf eine besondere Art und Weise, und je mehr er darüber nachdachte, desto geneigter war er, der Frau zu helfen.
„Wenn Ihnen wirklich soviel daran liegt, dann bin ich bereit, Sie nach Zwottertracht zu bringen", hörte er sich selbst sagen.
Erschrocken über seine spontane Entscheidung, sah er zu ihr und be gegnete ihrem wissenden Blick.
„Es würde mich nicht wundern, wenn er es war, der Sie umgestimmt hat", sagte sie und deutete auf ihren prallen Leib.
*
Es gab nur wenige Vincraner, die Zwottertracht anflogen, und es gab keinen einzigen Vaku-Lotsen, der einen Gäaner hierher fliegen würde, obwohl die gäanische Regierung in dieser Richtung einige Anstrengungen unternahm.
Seit den Gäanern ein Psychod in die Hände gefallen und von den Mutanten untersucht worden war, versuchten sie, diese Kulturzeugnisse eines untergegangenen Volkes aus dem Verkehr zu ziehen. Ihre Erkenntnis, daß die Psychode psionische Sendungen ausstrahlten, war nicht neu. Die Vincraner hatten dies längst schon erkannt und diese Kunst-gegenstände als tabu erklärt. Die Vincraner brauchten nicht erst ein eigenes Verbot zu erlassen, um zu erreichen, daß ihre Artgenossen diese geheimnisvollen Kunstgegenstän-de mieden.
Harzel-Kold war eine Ausnahme. Er schien jene nicht genau zu definierende Hemmung nicht zu besitzen, die anderen Vincranern zu eigen war, oder aber er setzte sich ganz be-wußt darüber hinweg.
Jedenfalls war er ein Außenseiter, der kaum Freunde in seinem Volk hatte. Galinorg kannte keine Vorurteile, dennoch war ihm Harzel-Kold während ihres kurzen Beisammen-seins unheimlich geworden.
Als Galinorg auf Zwottertracht landete, fand er, daß diese unwirkliche Welt wie geschaf-fen für Harzel-Kold war. Treffender war aber sicher, daß dieser Planet, die Eigenart der Zwotter und der Umgang mit den Psychoden Harzel-Kold geformt hatten.
Galinorg blieb nicht länger als nötig. Er setzte Virna Marloy auf dem kleinen Landeplatz hinter dem bunkerartigen Gebäude ab und startete dann sogleich wieder.
Zuvor hatte er sie noch gefragt, ob sie seine Unterstützung benötigte. Aber sie hatte abgelehnt.
„Ich bekomme von den Zwottern jegliche Unterstützung", hatte sie das begründet.
Hinter den Kakteenstämmen tauchte bereits eines der gnomenhaften Wesen auf und gab einen schaurigen Gesang von sich. Virna lächelte, als sie Blinizzer erkannte. Sie ent-fernte sich von
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