0856 - Der Drache aus dem Sumpf
Fooly war herzlich desinteressiert.
Das Visofon meldete einen Anruf.
Die Telefonanlage, die alle bewohnten Räume von Château Montagne miteinander verband, konnte externe Verbindungen als normale Ferngespräche oder mit Bild schalten. Hier wurde eine Bildtelefonverbindung signalisiert.
Zamorra zögerte einen Moment; Bildtelefone besaßen nur relativ wenige, aber für Zamorra wichtige Personen, nur stank es fast immer nach Arbeit, wenn sich einer von ihnen meldete. Und der wäre Zamorra derzeit gern aus dem Weg gegangen.
Sich einfach nicht melden, so tun, als wären er und Nicole irgendwo unterwegs…
Aber dann würde William das Gespräch entgegennehmen und garantiert ungewollt zum Verräter, weil Zamorra ihm keine Anweisung gegeben hatte, ihn zu verleugnen.
»Gespräch akzeptiert«, seufzte er.
Der Computer stellte ins Kaminzimmer durch, in dem Nicole sich jetzt vor den knisternden Flammen räkelte. Das Gesicht Robert Tendykes erschien.
»Na, euch geht's ja prächtig«, stellte der fest. »Das muss sich doch ändern lassen. Was haltet ihr von Stadtleben?«
»Viel, wenn es in dieser Stadt Boutiquen gibt«, rief Nicole vom Kamin her.
»Wenig, wenn es eine weiße Stadt ist«, sagte Zamorra.
»Sie ist blau, und sicher gibt es da auch keine Boutique. Vielleicht hätte ich besser von Stadtsterben reden sollen.«
Zamorra sah die Aufnahmelinse drohend an; sein Blick wurde so nach El Paso, Texas, übertragen. »Eine Blaue Stadt? Prima, dass du dich mal wieder gemeldet hast. Uns geht es gut, nur der Kühlschrank ist leer, seit Artimus sich hier den Bauch vollgeschlagen hat. Jetzt müssen wir das Gespräch aber beenden, weil noch eine Menge Arbeit auf mich wartet.«
»Ach!«, zischte Nicole. »Arbeit ist das für dich, was du mit mir vorhast? Das merke ich mir! Komm du mir noch mal ins Badezimmer, um einen Schluck Wasser zu trinken - ich klappe den Klodeckel runter!«
»Rob, heirate bloß nie!«, warnte Zamorra den Freund.
»Hast du doch auch nicht gemacht. Aber ich bin noch schlechter dran - ich hab' gleich zwei von der Sorte am. Hals…« Damit meinte er die eineiigen Zwillinge Uschi und Monica Peters, mit denen er schon seit vielen Jahren zusammenlebte und die ihn liebten.
»Männer, pah!«, fauchte Nicole. »Ihr werdet euch noch wundern, ihr Lästermäuler!«
Zamorra grinste sie an.
»Diese Blaue Stadt«, griff Tendyke das Thema wieder auf, »ist vielleicht doch von Interesse für euch. Da ist nämlich etwas sehr Merkwürdiges passiert. Einer der Archäologen verschwand, und ein paar Tage später wurde sein Skelett gefunden. Ich fliege in et wa einer Stunde nach Manaus und schaue mir die Sache selbst an. Kommt ihr mit?«
»Die › Arbeit‹ muss warten, Chef!«, entschied Nicole. »Robert, wir kommen!«
***
Sie schafften es, noch zwei Stunden mehr herauszuschinden. Auf die käme es sicher nicht an, argumentierte Zamorra. Weder die Stadt noch das Skelett würden ihnen davonlaufen.
»Da hast du wohl recht«, brummte Tendyke und versprach, zu warten.
Als das Gespräch beendet war, grinste Zamorra von einem Ohr zum anderen. »Sieht so aus, als müsse die ›Arbeit‹ doch nicht warten… Wobei mir auffällt, dass du neuerdings häufig die Entscheidungen deines Chefs über dessen Kopf hinweg und teilweise gegen dessen Interessen triffst. Kürzlich in Rio de Janeiro, jetzt schon wieder… das kommt mir sehr verdächtig vor. Gerade so, als wolltest du dich vor deinen nichtehelichen Pflichten drücken.«
Sie schmiegte sich an ihn und rieb ihre Hüften an seinen, und zwar so, dass ihr Tanga sich auf Talfahrt begab.
»Das liegt an deinem Bart«, erklärte sie. »Würdest du diesen Kratzeratismus endlich wieder abrasieren, wäre das Problem schon gelöst.« Dabei zupfte sie kräftig an einigen der Barthaare.
»Au!«, protestierte Zamorra. »So ganz verstehe ich dich nicht. Früher habe ich doch auch hin und wieder Bart getragen, und du hast nicht gemeckert.«
»Scheinbar sind deine Borsten jetzt härter als früher«, vermutete Nicole. »Das Gestrüpp steht dir zwar, aber es kratzt und tut weh beim Küssen.«
Zamorra seufzte. »Ich überlege es mir«, gestand er zu. »Vielleicht gibt es ja auch irgendeinen Bart enthärter…«
»Chemie-Schmiere in deinem Gesicht? Das kommt erst recht nicht in die Tüte, mein Bester! Vor drei Tagen wurde der Rasierapparat erfunden, munkeln eingeweihte Industriespione sich zu. Klau so'n Ding. Man sagt, im Badezimmer eines dämonenjagenden Professors in einem Loire-Schloss
Weitere Kostenlose Bücher