086 - Spukschloss im Mittelpunkt der Erde
seine
erlöschenden Sinne Eindrücke einer fremdartigen und bedrückenden Welt auf,
durch die er hindurch musste , ehe er ans Licht
gelangte?
»Du bist in meinem Schloss ... und du
wirst es nie wieder verlassen können«, tönte die harte, grausam klingende
Stimme in diesem Moment erneut auf. »Denn meine Stunde ist gekommen. Ihr bleibt
hier, aber ich werde gehen. Ich werde kommen und gehen, sooft es mir passt . Die Zeit des Wartens ist zu Ende ... die Tore sind
aufgestoßen .«
Das Lachen, das den unheimlichen Worten aus dem Nichts folgte,
ließ Weyer erschauern.
»Wer bist du ?« , fragte er tonlos.
»Ich habe meinen Namen längst vergessen ... Schon so lange ist es
her, seitdem ich hier weile .« Karlheinz Weyer richtete
sich stöhnend auf. Er stützte sich an der warmen Mauer und stieg auf den
schmalen Stufen weiter empor.
Jeder Schritt war eine Anstrengung, und der Schweiß rann in Bächen
über sein Gesicht. Sein nackter Oberkörper glänzte, als wäre er mit Öl
eingerieben. Die Hosen klebten an seinen Beinen. Er schlüpfte aus seinen
Sandalen und zog sich die Strümpfe aus. Selbst sie waren ihm zu viel. Mühsam
stieg er weiter nach oben. Dann kam ein Durchlass ,
der in eine eckige Halle führte, die sich dem Turmanbau anschloss .
Wie durch einen Schleier vor den Augen nahm Weyer die Gestalten
wahr.
»M-e-n-s-c-h-e-n ?« , murmelte er im
Selbstgespräch, ohne dass es ihm bewusst wurde. Er sah die Umrisse von Körpern. Sie lagen auf dem Boden vor ihm und
rührten sich nicht.
Weyer taumelte matt näher. Er konnte sich nicht mehr schnell
bewegen. Es war nicht nur heiß, es mangelte auch an Sauerstoff. Nur wenige
Schritte entfernt lehnte ein Mann in einer Ecke. Der Kopf hing ihm auf der
Brust, und er atmete schwer und röchelte. Bis auf seine Shorts hatte er sich
sämtliche Kleider vom Leib gerissen. Drei Schritte von Karlheinz Weyer entfernt
lagen in verkrümmter Haltung zwei Frauen. Die eine war dunkelhaarig, die andere
hatte langes Blondhaar. Auch die beiden Frauen hatten entbehrliche
Kleidungsstücke abgelegt und trugen nur noch Slip und BH. Die Blonde hob den
Kopf und richtete sich langsam auf, als wäre sie auf ein Geräusch aufmerksam
geworden. Auf der linken Seite der großen Halle befand sich ein eckiger Erker
mit vier schmalen, hohen Fenstern. Aus den Augenwinkeln heraus registrierte der
Neuankömmling, dass auch hinter diesen Fenstern keine
Landschaft und kein Himmel lagen. Rot zog es draußen vorbei, eine gurgelnde,
dampfende Masse, glutflüssige Magma, und er fragte sich, wie es möglich sei, dass ein einfaches Mauerwerk diese ungeheuren Massen
aufhalten konnte. Da waren noch andere Kräfte im Spiel, die er nur ahnte, von
denen er nichts wusste ...
Weyer kroch mehr am Boden, als dass er
ging. Die blonde Frau mit den nixengrünen Augen sah ihn an wie ein Gespenst.
»Wie ... kommen Sie hierher ?« , fragte sie
leise auf Englisch . »Sind Sie ein Freund der ...
Michelsons ?«
Weyer schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung, wovon Sie reden ... Miss ... hab überhaupt nicht damit ... gerechnet, hier
jemand ... zu finden, der menschlich ist ... es gibt also noch mehr, die sie
einfangen. Dann sind die Berichte, dass Menschen
spurlos verschwinden und wahrscheinlich ... von Außerirdischen zu
Untersuchungszwecken mitgenommen ... werden, gar nicht aus der Luft ...
gegriffen ...« Weyer nannte seinen Namen. Die blonde Frau, die ein goldenes
Kettchen mit einem schweren Anhänger in Globusform an ihrem Armgelenk trug,
erwiderte den Blick des Mannes.
»Angenehm«, sagte sie mit schwacher Stimme. »Ich heiße ... Morna
Ulbrandson ...«
●
Larry Brent alias X-RAY-3 hielt direkt vor dem Hauseingang. Er sah
den schmalen, steinigen Weg entlang, dann vor zum Hauseingang jenseits des
Gartentores. Der PSA-Agent passierte das offene Gartentor und war gespannte
Aufmerksamkeit. Im Haus blieb alles still. Larry näherte sich der Tür und
betätigte den schweren Messingklopfer. Dumpf hallte das Klopfen durch das
abseits stehende einsame Haus. Im Hintergrund rauschten der Wind und die Wellen
der Nordsee. Larry brauchte nicht lange zu warten. Er hörte sich schnell
nähernde Schritte. Dann wurde geöffnet. Morna Ulbrandson stand vor ihm.
●
Die hübsche Schwedin hob kaum merklich die feinen Augenbrauen.
»Nanu, Sohnemann ?« , fragte sie verwundert. »Wir haben
doch gerade eben noch telefoniert. Und jetzt kommst du auch noch persönlich?
Dann rein in die gute Stube ... Ich bereite uns gerade einen
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