086 - Spukschloss im Mittelpunkt der Erde
Kamera, mit
der er einige Aufnahmen von dem mysteriösen Ort geschossen hatte, hing an einer
Lederschnur noch immer um seinen Hals. Unwillkürlich griff Weyer nach dem
Fotoapparat, spannte den Film und richtete sich auf. Die Finsternis war nicht
mehr so undurchdringlich wie zum Zeitpunkt des Sturzes in die unbekannte Tiefe.
Der Ankömmling erkannte schemenhaft Umrisse seiner Umgebung. Wände ...
Sie waren klobig, als wären sie aus gewaltigen Steinquadern errichtet.
Es waren Steinwände.
Weyer betastete die Wand. Sie war unnatürlich warm. Kein Metall,
also kein UFO, sagte er sich, während er langsam an der Wand weiterging. Sie
bildete eine Rundung. Nach wenigen Schritten durch die Düsternis an der Wand
entlang stieß er auf einen Durchlass . Dahinter
lockerte die Dunkelheit weiter auf. Mit großem Erstaunen registrierte der auf
unheimliche Weise Entführte Treppenauf - und -abgänge
und ein rundes Fenster, hinter dem es unheilvoll gloste.
Atemlos ging Karlheinz Weyer darauf zu. Das Fenster war
bleiverglast. Wie flüssige, blubbernde Lava bewegte es sich zäh und bedrohlich
jenseits des Fensters. Eine rote Masse floss draußen
vorbei. Es waren kein Himmel und keine Tiefe zu sehen, und die Luft war heiß
und stickig. Schon unmittelbar nach seiner Ankunft war ihm die Wärme unangenehm
aufgefallen. Je länger er sich jedoch hier aufhielt, desto mehr bekam er sie zu
spüren. Er ging ganz nah ans Fenster heran, streckte die Hand aus und legte sie
auf die Scheibe. Mit einem Aufschrei zog er sie zurück, und seine Augen
weiteten sich in ungläubigem Erstaunen. Das Fensterglas war glühend heiß, und
es bewegte sich weich und wellenförmig unter seiner Handfläche.
Die Hitze von außerhalb schien es zum Schmelzen zu bringen!
Schweiß rann über Weyers Gesicht. Er brach nicht nur aus wegen der Hitze, die
dem Mann zu schaffen machte, sondern, auch vor der Angst. Das Glas warf Blasen,
nach innen wie nach außen. Der rote Strom zog aufwärts und am Glas vorbei. Ein
monotones Gurgeln und Rumpeln war ständig in der Ferne zu hören, und das
Geräusch fiel schon gar nicht mehr auf. Weyer wischte sich mit dem Handrücken
über die Stirn und schöpfte den Schweiß ab. Die Hitze nahm zu. Weyer knöpfte
sein Hemd auf und legte es ab. Achtlos ließ er es einfach zu Boden fallen und
taumelte dann auf die steile, scharfgewundene Treppe zu, die nach oben führte.
Er befand sich in einem großen, runden Turm, der mehrere kleine Bogenfenster
aufwies. Hinter jedem zeigte sich der gespenstische rote Strom, der zäh
dahinwogte. Weyer wollte über die Treppe schnell nach oben steigen, aber das
war ihm nicht möglich.
Die stickige Atmosphäre machte ihn fertig und ließ jede Bewegung
zur Qual werden. Er gelangte in ein weiteres rundes Turmzimmer. Es unterschied
sich von dem, aus dem er gerade kam, nicht im Geringsten. Es gab keine
Einrichtungsgegenstände. Nur Treppen, Kammern, Durchlässe und Bogenfenster mit
dem Ausblick in eine unwirkliche, alptraumhafte Welt. Auf halbem Weg nach oben
in das nächste Turmzimmer musste er eine Verschnaufpause einlegen. Er saß auf einer Stufe und lehnte den Kopf an
die warme Wand. »Gebt euch ... endlich zu erkennen !« ,
stieß er hervor. »Wer seid ... ihr ... wo haltet ihr euch ... verborgen!? Warum
... zeigt ihr euch nicht? Und – wo bin ich hier ... ?« Die letzten Worte brüllte er heraus, dass sie
schaurig durch die übereinanderliegenden Turmkammern hallten. Der Ruf
verhallte. Plötzlich kam eine andere Stimme. Weyer fuhr zusammen. Sie klang
nicht minder gespenstisch und unheimlich durch das rot-schwarze, flackernde
Halbdunkel und schien ihn zu verhöhnen. Im ersten Moment glaubte der Mann, das
es das Echo seiner eigenen Stimme wäre. Aber – andere Worte klangen auf. Sie
waren die Antwort auf seine Frage. »O ja ... Fremder ... ich kann dir sagen, wo
du dich befindest. In meinem Schloss ... dem Spukschloss im Mittelpunkt der Erde!«
●
Weyer schnappte nach Luft, sein Herz schlug bis zum Hals. Es gab
keinen Zweifel. Er erlebte eine furchtbare Halluzination und hörte Stimmen, wo
überhaupt keine sein konnten. Wahrscheinlich war dies das wahre Rätsel des runden
Flecks . Die Menschen gerieten in einen Sog, Ängste wurden in ihnen geweckt und ...
Abrupt unterbrach er seine Gedankenkette. Er merkte selbst, dass an seinen Überlegungen etwas nicht stimmte.
Irgendwohin musste seine Reise schließlich gegangen
sein. Ins – Jenseits vielleicht? War dies das Totenreich? Nahmen
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