086 - Spukschloss im Mittelpunkt der Erde
der von Bill Pauling erfahren
hatte, wofür er sich interessierte. »Sie hoffen, von mir etwas über das Castle
zu hören, von dem die einen sagen, dass es nie
existierte, und die anderen behaupten, dass es eines
Tages wie eine Spukerscheinung von einer Sekunde zur anderen verschwand .«
»Zu welcher Version, William, neigen Sie ?«
»Ich glaube daran, dass es das Castle
gab .«
»Und was macht Sie so sicher ?«
»Die Hartnäckigkeit der Legende. Etwas muss dran gewesen sein ... ich kenne die Geschichte von meinem Großvater. Eine
reichlich komische Sache, zugegeben, aber wir Kinder haben damals mit heißen
Ohren gelauscht, und dann machten wir uns auf den Weg, das Zauberschloss ,
wie wir es nannten, zu suchen. In unserer kindlichen Phantasie haben wir es
auch gefunden. Das alte Haus, in das Myra O'Keefe heute wollte, war der Ort, den wir aufsuchten. Es stand schon damals, und auch
damals schon war es alt. Eine alte Frau lebte darin, die uns immer stumm und
abwesend beobachtete, wenn wir auf den Felsen jenseits des Gartens
herumkletterten .«
»Hat es jemals eine Beschreibung des Schlosses gegeben? Ist Ihnen
mal eine zu Ohren gekommen ?«
»Es gab und gibt davon unzählige, Mister Brent. Aber keine stimmt
– dass es ein sehr kleines Castle, sehr bizarr und
malerisch gewesen sein soll, andere beschreiben es so, als hätte es nur aus
runden Türmen bestanden. Dritte wiederum stellen es als einen unmöglichen
Kasten dar, eckig, mit zinnenbewehrten Türmen, in
denen eine Mörderbande hauste. Es gibt kein Bild des Schlosses ... kein
offizielles und anerkanntes jedenfalls. Selbstverständlich hat es hier in Cromer und Umgebung immer wieder Leute gegeben, die sich
eigene Bilder aufgrund der Erzählungen machten. Ich hatte einen Onkel, der für
den Hausgebrauch malte. Alles, was ein bisschen unheimlich und phantastisch war, brachte er am liebsten zu Papier .«
»Gibt es diese Darstellung noch ?« Der
Wirt lachte leise. »Vielleicht, Mister Brent, vielleicht auch nicht. Dreißig
Jahre sind eine lange Zeit. Das Bild ist irgendwo untergegangen. Eines Tages
war's weg. Sie werden's nicht glauben. Ich habe mich
auch mal an das Bild erinnert und überall im Bekanntenkreis danach gefragt.
Aber wie das so ist bei alten Sachen: keiner wusste mehr etwas Genaues darüber. Vielleicht wanderte es eines Tages zum Müll, oder
wir haben es in den Ofen geworfen. Vielleicht hat's auch ein Altwarenhändler
irgendwann mitgenommen, und jemand, ein Fremder, ein Tourist, hat es gekauft.
Möglich, dass das Bild auch noch irgendwo im Gerümpel
auf dem Speicher liegt und eines Tages ebenso unerwartet wieder auftaucht, wie
es mal verschwand ... Sie wissen selbst, wie das bei solchen Sachen ist.« Larry
wechselte das Thema. Er stand am Fenster und sah drüben auf dem Parkplatz den
mit Körben beladenen LKW, der John O'Keefe und seiner
Tochter auch als Wohnmobil diente. »Kennen Sie John O'Keefe gut, William ?«
»Ja, sehr .«
»Könnten Sie ihn für einen Scharlatan halten, oder für einen
Aufschneider ?« Der Wirt schüttelte heftig den Kopf:
»Ausgeschlossen, Mister Brent! John O'Keefe ist
ehrlich und aufrichtig, ein Mann, dem ich den größten Respekt zolle. Er hat es nicht
nötig aufzuschneiden oder irgendwelche Lügengeschichten in die Welt zu setzen.
Ich wüsste auch nicht, weshalb er das tun sollte .«
»Nein, ich wüsste es auch nicht. Und
doch stimmt hier etwas nicht ... Es muss mit dem Haus
an der Küste zusammenhängen, William. Es passierten in Verbindung mit diesem
Haus einige merkwürdige Dinge. Dazu passt sicher auch
die Geschichte, dass an der Stelle, wo das Haus
steht, vor ein paar Jahrhunderten angeblich ein Castle gestanden haben soll.
Der Volksmund hat darüber einiges weitergegeben. In den Chroniken jedoch steht
nichts. Gibt es von dieser Gegend so etwas wie eine Sagen- oder
Legendensammlung ?«
»Gibt's. Ein dünnes Bändchen! Geister, Hexen und Dämonen und
allerlei Fabelwesen trieben selbstverständlich auch in Norfolk ihr Unwesen. Es
gibt zum Beispiel eine Sage von einem verfluchten Schatz, der angeblich in
Küstennähe auf dem Meeresgrund liegen soll. Die geldgierigen und bösartigen
Lords of Norfolk, die dieses Land einst beherrschten,
stehen übrigens sehr oft im Mittelpunkt solcher Sagen. Die Lords of Norfolk hat es aber wirklich gegeben, im vierzehnten und
fünfzehnten Jahrhundert. Sie sollen merkwürdige Dinge getrieben haben .«
»Was wissen Sie davon ?«
»Nur so viel, um sagen zu können, dass es sich bei
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