0863 - Die schlafende Göttin
ihn unsicher. Er bewegte sich nicht so ruhig und besonnen wie gewöhnlich, und er sprach schneller als sonst. Der Blutdruck war höher als normal, und die Pulsfrequenz lag ebenfalls über dem sonstigen Wert.
Sicherlich hatte Margor ihn gegen Telepathen abgeschirmt. Wie aber war es mit Andre Noir? Konnte dieser als Gefühlsorter seinen Erregungszustand erfassen? Spürte dieser, daß sein vegetatives Nervensystem auf die Gefahrensituation reagierte?
Payne Hamiller versuchte, sich abzulenken und nicht ständig an die PEW-Mutanten zu denken.
Vielleicht vertraute Julian Tifflor ihm nach wie vor voll und ganz? Der Erste Terraner hat-te unglaublich viel zu tun. Er hatte ein Arbeitspensum von bis zu zwanzig Stunden am Tag und hätte diese Tortur wohl ohne Zellaktivator nicht überstanden.
Blieb Tifflor bei dieser unglaublichen Belastung noch Zeit, über ihn nachzudenken?
Wa-ren Tifflor überhaupt jene Ungereimtheiten aufgefallen, von denen er meinte, sie müßten ihn verraten haben?
Hamiller spürte, daß er sich auch auf diese Weise nicht beruhigen konnte. Er versuchte, auch diese Gedanken zu verdrängen, doch das gelang ihm nicht.
Der Weg bis hin zu dem Raum, in dem Harno lag, schien endlos zu sein. In Hamiller stieg bereits der Verdacht auf, daß der Offizier an seiner Seite ihn absichtlich auf langen Irrwegen zum Ziel führte, damit Betty Toufry Gelegenheit hatte, ihn zu prüfen.
Er verwarf diesen Gedanken jedoch sogleich wieder als unsinnig, weil er wußte, daß Betty derlei Mätzchen nicht nötig hatte. Sie konnte ihn telepathisch sondieren, auch wenn er weit von ihr entfernt war.
Ein Schott öffnete sich vor ihm. Er betrat einen abgedunkelten Raum, in dessen Mitte ein Podest mit einem Kissen stand. Auf diesem Kissen lag eine kleine Kugel, die eine trüb-graue Oberfläche hatte.
Harno, das Wesen aus Zeit und Raum.
Daneben standen Julian Tifflor und Homer G. Adams.
Als Payne Hamiller Adams sah, wurde ihm schlagartig klar, daß dieser die Telepathin Betty Toufry in sich barg. Er hatte keinerlei Beweis für diese Annahme, zweifelte jedoch nicht im geringsten daran, daß Adams die parapsychischen Vorteile Bettys nutzte.
Hamiller grüßte, wobei er sich darüber ärgerte, daß diese Geste übertrieben freundlich ausfiel. Er konnte jedoch nicht verhindern, daß er damit seine Unsicherheit zu übertünchen versuchte. Er nahm sich vor, sich mit Bemerkungen jeglicher Art zurückzuhalten, um sich nicht zu verraten.
„Ist Harno tot?" fragte er und wandte sich dem Kugelwesen zu.
„Glücklicherweise nicht", antwortete Tifflor. „Er scheint jedoch grenzenlos erschöpft zu sein."
Hamiller betrachtete das Kugelwesen. Er konnte keinerlei Lebenszeichen erkennen.
„Was ist geschehen?" fragte er. „Wollte Harno nicht auf Gäa bleiben, um sich dort auf ir-gend etwas vorzubereiten? Ich erinnere mich, daß er so etwas gesagt hat."
Homer G. Adams berichtete, wie er Harno gefunden hatte. Payne Hamiller hörte mit wachsendem Unbehagen zu.
Er blickte Adams an, weil er das Gefühl hatte, daß dieser ihn nicht aus den Augen ließ.
Zeichnete sich nicht so etwas wie Mißtrauen auf dem Gesicht von Adams ab? Hamillers Unsicherheit wuchs.
Adams berichtete mit leiser Stimme von den Ereignissen auf Mugnammor.
„Auf der Oberfläche von Harno zeichnete sich deutlich das Innere eines Tempels ab.
Da war eine Statue, die von mehreren Personen angebetet wurde. Das heißt, zunächst glaub-te ich, daß es eine Statue war, doch dann bewegte sie sich, und ich erkannte, daß Harno mir eine Frau zeigte. Die Feiernden im Tempel gerieten in Ekstase. Danach erlosch das Bild. Ich glaube, gehört zu haben, wie die Menschen im Tempel Demeter, Demeter riefen."
Homer G. Adams setzte sich in einen Sessel, der dicht neben dem Sockel stand.
„Demeter war die griechische Göttin der Fruchtbarkeit. Fruchtbarkeit im Sinne des Ackerbaus", fügte er hinzu.
„Das ist mir bekannt", entgegnete Hamiller, der Mühe hatte, seine Stimme unter Kontrolle zu bringen. Er erschauerte, und sein Unbehagen steigerte sich zum Schrecken.
„Es ist phantastisch", sagte Julian Tifflor leise, „aber Harno wollte uns auf seine Art zwei-fellos warnen."
Hamiller antwortete nicht, weil er nicht wußte, was er sagen sollte. Tifflor hatte recht.
Harno hatte auf seine Art gewarnt. Er hatte nicht nur Bilder von Kreta, sondern auch aus der Vergangenheit beschafft.
Hamiller schwieg. Er war sich dessen bewußt, daß er über die jüngsten Ereignisse im Rahmen der
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