0863 - Die Sirene von Atlantis
aber du bist der Fachmann. Du hast dich für die ungewöhnlichen Dinge interessiert. Du hast von der Mafia und der Faszination der Steine gesprochen, von der Verbindung in andere Zeiten, in die Vergangenheit hinein, wie auch immer.«
»Aber nicht von Mord, Gaby.«
»Das ist richtig.«
»Ich will hier weg!« sagte Sid und erhob sich von dem Stuhl. Er hatte für die Steine keinen Blick mehr, obwohl sie wirklich einmalig aussahen. Über den Steinen zeigte der Himmel nun einen phantastischen Glanz. Noch lauerte an den Rändern die Dunkelheit, aber das Sonnenlicht war weiterhin auf dem Vormarsch.
Dafür hatten die Hansons keinen Blick mehr. So rasch wie möglich kletterten sie vom Dach ihres Fahrzeugs. Gaby vorneweg. Sie nahm die Stühle ab, die ihr Sid reichte. Die wertvollen Geräte trug er selbst in Sicherheit.
Nichts war mehr wie noch vor einer halben Stunde. Es gab keine Ruhe. Die Menschen waren durch das schreckliche Ereignis aufgeschreckt worden. Im Zentrum von Stonehenge lagen zwei tote Männer, und die Camper waren eben die Zeugen gewesen. Sie hatten miterleben müssen, wie die beiden Männer starben. Vor ihren Augen hatte eine Schwertklinge ihre Körper durchbohrt, und jeder hatte die verfluchte Mörderin gesehen, aber niemand sprach über sie.
Es war, als würde man ihnen die Lippen zuhalten. Da gab es einfach nichts zu reden. Und wenn gesprochen wurde, dann nur im Bekanntenkreis. Hin und wieder war auch ein leises Weinen oder Schluchzen zu hören. Flüsternde Stimmen wehten über den Platz.
Es dauerte etwas, bis die Menschen wieder soweit waren, daß sie auch zu ihren Nachbarn Vertrauen gefaßt hatten und mit ihnen über die Vorgänge reden konnten. Das wollten die Hansons nicht. Sie hatten sich in ihr Wohnmobil zurückgezogen und die Türen verschlossen. Sidney saß bereits hinter dem Lenkrad, ohne allerdings einen Startversuch zu unternehmen. Durch die getönte Scheibe starrte er nach draußen, die Arme angewinkelt und auf das Steuer gestützt. Er war mit seinen Gedanken allein, suchte nach einer Lösung und verzweifelte fast, als er nicht darauf kam.
»Wollten wir nicht fahren?« fragte Gaby ihn.
Sid nickte.
»Wir müssen zur Polizei, Sid. Ich weiß nicht, wer diese Vorgänge noch gefilmt hat, aber wir sind die besten Zeugen, wir haben die Aufnahmen im Kasten.«
»Das stimmt.«
Gaby hatte sich besser erholt als ihr Mann. »Da gibt es zwei Möglichkeiten. Wir können hierbleiben und warten, bis die alarmierte Polizei eintrifft, was sicherlich geschehen wird, wir können aber auch nach London fahren und uns direkt an die entsprechenden Spezialisten wenden.«
Sid überlegte. Er drehte sich dabei zur Seite, weil er sah, daß Gaby neben ihm stand. »Warum nach London?« fragte er.
»Nun ja, Sid, ist das nicht ein Fall für einen bestimmten Mann? Ich denke, du weißt, wen ich meine.«
Er überlegte einen Moment. »Etwa Sinclair?«
»Ja, genau.«
»Hm.«
Gaby war irritiert. Sie setzte sich auf den Beifahrersitz. »Was stört dich daran?«
»Möglicherweise dieser Sinclair selbst. Bisher haben wir mit ihm nichts am Hut gehabt, aber das ist…«
»Vergiß doch dein Vorurteil. Du kennst ihn nicht. Du hast nur hin und wieder etwas über ihn gehört oder gelesen. Er ist in manchen Kreisen nicht eben beliebt, das stimmt, aber davon sollten wir uns nicht beeinflussen lassen und uns ein persönliches Bild machen. Ist das in deinem Sinne?«
»In deinem denn?«
»Aber klar.«
Sid Hanson seufzte. »Gut, dann sollten wir fahren. Aber stell zuvor bitte die Kaffeemaschine an, ich brauche einen Muntermacher.«
»Daran soll es wirklich nicht scheitern, Sid.«
So waren die Hansons die ersten, die den Platz verließen…
***
Es hatte zwei Tote gegeben!
Daß in einer Zeit wie dieser sehr oft Menschen starben und daß kaum jemand davon Notiz nahm und schulterzuckend seinen eigenen Problemen nachging, ließ sich wohl so leicht nicht mehr ändern, auch wenn man sich daran nicht gewöhnen sollte. In diesem Fall aber lagen die Dinge anders. Die beiden Männer waren ermordet worden, und dies an einem sehr exponierten Ort, den Steinen von Stonehenge.
Das machte die Sache interessant.
Wir hatten davon erfahren, denn diese Meldung war auch zum Yard gefaxt worden, doch weder Suko noch ich hatten es richtig registriert. Wir waren noch zu sehr mit den Gedanken bei unseren letzten Fällen, die uns unter anderem in die Schweiz geführt hatten.
Das war vorbei, London hatte uns wieder und damit auch die Normalität,
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