0864 - Friedhof der Vampire
diese Bilder konzentrierst, kannst du die zugehörigen Regenbogenblumen-Kolonien leicht erreichen. Erkennst du Château Montagne?«
»Die Burg am Berghang?«
»Richtig.«
»Darf ich noch eine Frage stellen, Herrin?« Die Amazone wartete die Antwort der ob der diesmal respektvollen Anrede verdutzten Dämonin nicht ab, sondern sprach sofort weiter: »Weshalb soll Zamorra diese seltsamen Blumen finden?«
Stygia lächelte kalt.
»Sie führen ihm zum Friedhof der Vampire. Er kann jenen Ort nur unter großen Schwierigkeiten wieder verlassen. Mein Wille ist es, dass er dort stirbt.«
»Wenn er stirbt, ist das gut«, erwiderte die Amazone. »Dieses Ziel wird mir ein besonderer Ansporn sein.«
»So schicke ich dich jetzt los, dass du dir die Blumen beschaffst.«
»Ich höre und gehorche…«
***
Nicole packte die Reisetasche und einen ihrer Einkäufe. Die Sachen brauchten ja nicht zwischen den Regenbogenblumen zu bleiben, bis sie Schimmel ansetzten und sich mit der Zeit in Dünger verwandelten. Sie brachte die Sachen bis zum Fuß der Treppe, die nach oben führte, zur Tür in die Eingangshalle des Châteaus.
Kopfschüttelnd sah sie die Stufen hinauf.
Da zigmal auf- und absteigen? Dazu hatte sie keine Lust, und mit Zamorras Hilfe konnte sie nicht rechnen. Der war immer noch spurlos verschwunden.
Sie betätigte die Ruftaste des Visofons. Die computergesteuerten Sicht-Sprechgeräte waren überall im bewohnten und benutzten Teil des Châteaus installiert und ermöglichten auch Telefonate nach außerhalb. Diese Funktion brauchte Nicole jetzt aber nicht.
»William!«
Der Rundruf erreichte den Butler, und er meldete sich. Über die Bildwiedergabe erkannte er, wo sie sich befand.
»Oh, Sie sind nun auch zurück? Wie kann ich Ihnen helfen, Mademoiselle Nicole?«
Das »auch« fiel ihr im ersten Moment gar nicht auf. »Sie können mir helfen, ein paar Päckchen nach oben zu bringen.«
»Wir sind schon unterwegs.« Bevor Nicole noch etwas sagen konnte, hatte der Butler bereits abgeschaltet.
Wir?, dachte Nicole. Benutzte William jetzt in einem Anflug von Größenwahn den pluralis majestatis , oder brachte er tatsächlich noch jemanden mit? Hoffentlich nicht den Drachen, der fehlt mir jetzt gerade noch!
Sie kehrte erst einmal zurück zu den Regenbogenblumen, um sich ein paar weitere Päckchen aufzuladen. Die ganze Strecke durch das Kellergewölbe wollte sie William schließlich nicht aufhalsen.
Dabei fiel ihr auf, dass nahe bei den Regenbogenblumen eine kleine, andere Blume lag. Kopfschüttelnd hob sie sie auf.
Die Blume glich verblüffend der, welche Zamorra in New York gefunden hatte, unterschied sich von ihr lediglich in der Farbe.
Nicole nahm die Blume mit und legte sie auf den Päckchen ab.
***
Kurz vorher sah Zamorra den Butler die Treppe herunterkommen. Wie immer war William sehr geschäftig unterwegs. In dieser Hinsicht glich er seinem verstorbenen Vorgänger. Der hatte auch immer etwas zu tun gefunden und war ständig auf Abruf erreichbar gewesen. Ganz so wild sah es William zwar nicht; er nahm sich durchaus mal ein wenig Freizeit, aber trotzdem war er immer da, wenn er gebraucht wurde.
»Sie sehen mich überrascht, Professor«, begrüßte er den Hausherrn. »Ich hatte noch nicht mit Ihrer Rückkehr gerechnet.«
»Gibt es dafür einen bestimmten Grund?«, wollte Zamorra wissen.
William hob die Brauen. »Wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf - wenn Mademoiselle und Sie auf Shopping-Tour zu gehen belieben, dauert dies doch für gewöhnlich eine gewisse Zeitspanne.«
Zamorra schmunzelte. »Mehr konnten wir nicht schleppen und haben daher aufgehört«, sagte er. »Apropos Mademoiselle. Ist Nicole inzwischen hier aufgetaucht?«
»Nein, Monsieur. Allerdings will sich meiner Wenigkeit, verzeihen Sie, der Sinn Ihrer Frage nicht zeigen. Sie sind doch gemeinsam unterwegs…«
»Und auf getrennten Wegen zurückgekehrt«, kürzte Zamorra die lange Geschichte ab. »Nicole per Regenbogenblumen, ich per Weltentor. Den Grund dafür verrate ich Ihnen später.«
Er schaltete sein Armbandchrono um. Es zeigte jetzt nicht mehr die New Yorker, sondern die hiesige Zeit an. Zamorra sog scharf die Luft ein. Dank der verschiedenen Zeitzonen war es hier bereits zwei Uhr nachts. An diese Unterschiede konnte er sich nach all den vielen Jahren immer noch nicht so richtig gewöhnen. Wenn er mit dem Flugzeug unterwegs war, ging's ja noch, da hatte man genug Zeit, sich mit der Differenz anzufreunden. Aber beim Benutzen der
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