0864 - Friedhof der Vampire
als erfüllt an. Sie musste jetzt nur noch einen Weg finden, der sie wieder in die Hölle brachte.
***
In den späten Vormittagstunden servierte Butler William das Frühstück. Wie üblich hatte Lady Patricia ihren Sohn Rhett zur Schule nach Roanne gebracht. Selbst wenn auf dieser Strecke ein Schulbus gefahren wäre, hätte sie es so gehalten. Der junge Erbfolger war eine hochgradig gefährdete Person. Nach wie vor war es die Absicht der Dämonen, die Erbfolge zu unterbrechen, indem sie Rhett Saris ap Llewellyn töteten. Denn einmal in seinem Leben war es seine Aufgabe, einen oder mehrere Auserwählte zur Quelle des Lebens zu führen, wo einer von ihnen die relative Unsterblichkeit erlangte. So wie vor vielen Jahren auch Professor Zamorra…
Seitdem erkrankte er nicht mehr, baute Giftstoffe in seinem Körper ab und alterte nicht mehr. Nur durch Gewaltanwendung konnte er getötet werden.
Allerdings würde das Ende seines Alterungsprozesses ihn irgendwann vor erhebliche Probleme stellen. Schon jetzt wunderten sich bisweilen Menschen, die ihn von früher her kannten, dass er immer noch so unverändert aussah wie damals.
Patricia Saris betrat den Frühstücksraum und nahm am Tisch Platz. »Na, ihr Helden und Weltenretter, habt ihr noch eine Tasse Kaffee für mich übrig?«
»Nein!«, erwiderten Zamorra und Nicole gleichzeitig, grinsten erst sich und dann die Schottin an. »Es sei denn, du verrätst uns, ob es etwas Neues in der Entwicklung von Lord Zwerg gibt«, fügte Nicole hinzu.
Patricia runzelte die Stirn. »Du weißt genau, dass Rhett diesen Spitznamen gar nicht mag, und er trifft auch schon lange nicht mehr zu! Aus dem ›Zwerg‹ ist längst ein ausgewachsener Jugendlicher geworden!«
Sie beugte sich zur Seite und nahm eine Tasse vom Tablett, um sich Kaffee einzuschenken. »Ärger in der Schule hat er. Hin und wieder flutschen ihm Bemerkungen heraus, die sich auf sein Leben mit eigentümlichen Gestalten im Château beziehen. Zum Beispiel gibt er damit an, mit einem jungen Drachen zusammenzuleben und mit einer Katze, die durchwände geht…«
»Was ja auch nicht ganz falsch ist«, brummte Zamorra.
»Ja, aber es passt nicht mehr zu seiner Altersstufe. Des Weiteren erzählt er, dass hier Frauen halb nackt herumlaufen…«
»Was auch nicht ganz falsch ist«, schmunzelte Nicole, die momentan nur ein Longshirt trug.
»Und er macht zuweilen Bemerkungen, die sich auf seine früheren Leben beziehen. Freunde, da kommt was auf uns zu! Wie soll ich das dem Lehrpersonal erklären? Ich habe schon daran gedacht, ihn auf eine Privatschule zu schicken, aber da wird man die Sache kaum anders sehen.«
»Und wenn du ihn von einem Hauslehrer hier unterrichten lässt?«
»Das möchte ich eigentlich nicht, weil er dann von anderen seines Alters völlig isoliert ist.«
»Nimm doch einfach mal Fooly mit in die Schule«, schlug Nicole vor.
»Das ist nicht dein Ernst!«, entfuhr es Patricia. »Den Drachen?«
»Doch«, lächelte Nicole. »Schocktherapie.«
»So einen Blödsinn mache ich nicht! Ganz abgesehen davon, dass das Biest ja nicht mal in eines unserer Autos passt - außer in deinen Cadillac, Nicole, wenn das Verdeck offen ist.«
»Kommt nicht in Frage!«, protestierte Nicole energisch. »In meinen Wagen kommt Fooly nur über meine Leiche!« Mit durchdringendem Drohblick sah sie die Schottin an.
Patricia seufzte.
Zamorra grinste und begann mit theatralischer Gestik zu deklamieren:
»Der Zahnarzt griff dem Drachen gar tief in dessen Rachen. Da schluckte dieser ihn geschwund zutiefst in seinen Drachenschlund. Von hinnen schreitet er nun satt, doch Zahnschmerz er noch immer hat.«
»Hast du's, oder hat es dich, Professor?«, fragte Patricia irritiert. »Was hat das Drachenproblem mit Zahnärzten zu tun?«
»Ich denke, er wollte dich ein wenig aufmuntern«, sagte Nicole. Zamorra, immer noch grinsend, nickte.
»Ich bin von Irren umgeben«, murmelte Patricia.
»Rhett hat übrigens immer öfter Erinnerungsblitze«, sagte sie nach einer Weile. »Ich glaube, es dauert nicht mehr lange, bis das Wissen um seine früheren Leben richtig erwacht. Bisher kann er ja noch nicht so recht etwas damit anfangen. Aber bald wird er der Erbfolger sein.«
Etwa vierzehn Jahre alt war er jetzt. Zamorra nickte. Die Zeit war reif.
***
Später berichtete Zamorra noch einmal von seinem Erlebnis mit der Blume. Diesmal war auch William mit dabei. Patricia hatte sich zurückgezogen; vermutlich grübelte sie über das Schulproblem
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