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0865 - Aus Tinte geboren

0865 - Aus Tinte geboren

Titel: 0865 - Aus Tinte geboren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W.K. Giesa
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zurück. Dort kleidete sie sich an. Wie immer trug sie nur das Nötigste; eine kurze Hose, die diese Bezeichnung ob der Stoffknappheit nicht verdiente, sowie eine bis zum Bauchnabel offene Bluse.
    Lady Patricia würde einmal mehr außer sich sein und auf die Jugendgefährdung von Sir Rhett hinweisen und dass er sich mitten in der Pubertät befand. Doch das machte Nicole schon lange nichts mehr aus. Wenn er am Kiosk seine Comic-Hefte kaufte, sah er doch zwangsläufig in der Auslage auch die halb oder ganz nackten Mädchen auf den Titelbildern der einschlägigen Magazine. Und Nicole glaubte auch vor einiger Zeit eine Ausgabe des Herrenmagazins »Oui«, das recht scharfe Kost beinhaltete, in seinem Zimmer gesehen zu haben.
    Das Einzige, was ihr etwas ausmachte, war, dass sie Rhett ab sofort nicht mehr als »Lord Zwerg« titulieren sollte. Aber der Junge war vierzehn Jahre alt und mittlerweile schon fast so groß wie sie, und da war die Bezeichnung nicht mehr lustig, sondern eher beleidigend.
    Wenige Minuten später erklang erneut ein Rundruf. Die Lautstärke war atemberaubend, aber nicht umsonst hatte Madame Ciaire »Akustik auf Maximum!« gefordert.
    »Rundruf an Professor Zamorra! Notfall in der Küche! Sofort kommen!«
    Nicole hielt sich die Ohren zu.
    »Autsch, gleich bin ich taub«, ächzte sie.
    Dennoch beeilte sie sich, in die Küche zu gelangen. Die lag im Erdgeschoss, nahe am Eingangsbereich zum Keller, von wo Williams Ruf eingegangen war.
    Außerdem hatte Madame Ciaire geklungen, als wäre sie kurz vorm Überschnappen.
    Kurz vor dem Eingang zu den Abstellräumen kam ihr Rhett entgegen. Nicole fand, dass er irgendwie schuldbewusst aussah. Diesen Gesichtsausdruck kannte sie nur zu gut. Immer dann, wenn Rhett versuchte auszusehen, als könne ihn kein Wässerchen trüben, hatte er einen kapitalen Bock geschossen.
    Nicole blieb stehen. Demonstrativ hielt sie beide Hände gegen die Hüften gestemmt und blickte Rhett anklagend an.
    »Sag's nach Möglichkeit in einem Satz und ohne große Erklärungen«, forderte sie ihn auf. »Was hast du jetzt schon wieder angestellt?«
    ***
    Auf dem Weg zur Küche war Zamorra von dem ominösen externen Anruf gestoppt worden. Als er sich identifizierte, brach die Verbindung sofort ab. Den Daten zufolge, die das Visofon im Computer gespeichert hatte, kam der Anruf von einem öffentlichen Fernsprecher in Roanne.
    Dieses Verfahren war zwar nicht ganz konform mit den Datenschutzgesetzen, aber durchaus praktisch. Und wo kein Kläger, da kein Richter, hatte Olaf Hawk gemurmelt, als er vor einigen Jahren diese Anlage im Château installiert hatte.
    Zamorra ließ sich nicht mehr länger aufhalten und stieß die angelehnte Küchentür auf. Er sah, wie ein düsteres Wesen, das ständig seine äußere Form veränderte, sich über Madame Ciaire beugte. Die Köchin war nicht im Stande, sich von der Stelle zu bewegen.
    »Lass sofort die Frau in Ruhe!«, forderte Zamorra mit hartem Tonfall. »Was soll das bedeuten?«
    Das schwarze Wesen, das aussah wie ein überdimensionaler Tintenklecks, drehte sich langsam um. Es schien den Parapsychologen genau zu studieren.
    Madame Ciaire nutzte sogleich die Gelegenheit, aus seiner Nähe und hinter den Rücken von Zamorra zu gelangen. Ihre Knie zitterten so stark wie noch niemals zuvor.
    »Gedankenenergie…«, brummte der Schwarze. »Brauche Gedankenenergie… Wenn nicht von ihr, dann… von dir.«
    Er kam näher, bis er nur noch einen Schritt von Zamorra entfernt war.
    Der Meister des Übersinnlichen streckte eine Hand aus, murmelte einen Bannzauber und vollführte die dazugehörigen, kompliziert aussehenden Bewegungen.
    Bläuliche Blitze sprangen auf den Schwarzen Dämon über und liefen wie Elmsfeuer an ihm hinab.
    Er heulte leise auf und schüttelte sich.
    Die Blitze vergingen.
    »Nicht gut«, jammerte der Schwarze.
    Zamorra kniff die Augen zusammen. Er ließ die Hand ausgestreckt und rief sein Amulett. Einen Wimpernschlag später hielt er Merlins Stern in der Hand.
    Das Amulett erwärmte sich nicht. Also handelte es sich bei dem Unbekannten wirklich nicht um ein schwarzblütiges Wesen aus der Hölle. Zamorra hatte diese Möglichkeit allerdings vorher schon verworfen, denn die weißmagische Abwehr um Château Montagne hätte ihn ansonsten nicht durchgelassen.
    Zamorra versuchte, durch Verschieben der Hieroglyphen auf der Oberseite seines Amuletts einen Angriff gegen den Tintendämon zu starten. Aber Merlins Stern reagierte überhaupt nicht auf seine

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