087 - Gefangen in der Unterwelt
Erneut fragte er sich, wer wohl der Unsichtbare war und welche Gründe er hatte, ihnen zu helfen. Doch auf diese Fragen fand er keine Antwort. Er hatte den Unsichtbaren gefragt, doch dieser hatte nur geantwortet, das solle Unga nicht kümmern.
Unga verließ die Höhle. Seine linke Schulter schmerzte noch immer, während seine Beinverletzung ihm nicht mehr zu schaffen machte.
Er zögerte, dem Stamm zu sagen, daß sie morgen zum Abri der Linken aufbrechen würden. Das hat Zeit bis morgen, dachte Unga. Gierig schlang er einige große Fleischstücke hinunter. Dann betrat er mit Tunda die Höhle, die immer vom Führer des Stammes bewohnt wurde. Unga erfreute sich einige Zeit an den Reizen seiner Gefährtin, wälzte sich danach auf die Seite und schlief augenblicklich ein.
Es dämmerte, als Unga geweckt wurde.
Der Stamm wurde unruhig, als er sagte, was er vorhatte. Dennoch begleiteten ihn sieben Männer.
Sie waren mit Pfeil und Bogen, Speeren und Äxten bewaffnet.
Tunda hatte Tränen in den Augen, als sich Unga von ihr verabschiedete.
Die Sonne ging strahlend auf, als die acht Jäger das Lager verließen. Es versprach, ein schöner Tag zu werden.
Unga wußte, welches Wagnis er auf sich nahm. Aber er vertraute dem unsichtbaren Geist.
Sie kamen rasch vorwärts. Von den Linken fanden sie keine Spur. An einem kleinen Bach legten sie eine kurze Rast ein, tranken etwas Wasser und aßen getrocknetes Fleisch.
Endlich erreichten sie den Fluß, an dem die Höhle der Linkshänder lag.
Unga befahl seinen Männern stehenzubleiben und malte gelbrote Zick-Zack-Linien auf ihre Stirn. Schließlich bemalte er sich selbst die Stirn.
Dann gingen sie den Fluß entlang. Die Sonne stand hoch am Himmel, und es war drückend schwül. Als sie den Abri der Linkshänder vor sich sahen, hob Unga den rechten Arm, und seine Begleiter ließen sich zu Boden fallen. Unga öffnete den Fellsack, in dem sich der Kopf des Ungeheuers befand. Er spießte den Schädel auf einen Speer auf und stieß ihn in die Speerschleuder. Geduckt schlichen sie näher an das Lager heran.
Nirgends war ein Wachtposten zu sehen. Die Linken erwarteten keinen Überfall. Ungas Unbehagen wuchs mit jedem Schritt, den sie zurücklegten.
Als sie sich bis auf hundert Schritte dem Lager genähert hatte, richtete sich Unga auf. Ein Dutzend Linke saßen unter dem Felsvorsprung, der zum Fluß wies.
Unga sprang auf und schleuderte den Speer und verfolgte den Flug der Waffe. Der Speer landete mitten unter den Linken, die entsetzt aufsprangen.
„Schießt!" brüllte Unga.
Die Jäger erhoben sich und schossen ihre Pfeile ab. Vier Linkshänder brachen tot zusammen. Die anderen liefen laut schreiend auf die Höhle zu. Da schossen die Rechten erneut. Zwei Linke rissen die Arme hoch und fielen zu Boden, während die anderen in der Höhle verschwanden.
„Gut gemacht", sagte Unga zufrieden. „Ihr bleibt hier."
„Willst du es dir nicht doch noch einmal überlegen, Unga?" fragte Bonda.
„Nein", sagte Unga entschieden. „Mein Entschluß steht fest. Es bleibt mir keine andere Wahl."
Unga vertraute den Worten des Unsichtbaren. Zielstrebig ging er auf das Lager der Linken zu. Sein Herz klopfte nach jedem Schritt rascher, und Furcht stieg in ihm auf. Schweißtropfen perlten über seine Stirn und fingen sich in seinem gewaltigen Vollbart. Er betrat das Lager der Linkshänder und blieb stehen. Die Höhlenöffnung glich dem drohenden Rachen einer Raubkatze.
„Hört ihr mich, Linkshänder?" brüllte Unga. Er bekam keine Antwort. „Ich bin Unga, der Führer der Rechtshänder. Mir gelang es, das Geschöpf der Nacht zu töten. Das soll euch beweisen, wie mächtig ich bin. Ich fordere den Führer der Linkshänder zum Zweikampf. Derjenige, der aus dem Kampf als Sieger hervorgeht, soll mit seinem Stamm weiterhin hier wohnen dürfen. Aber der Unterlegene muß die Gegend verlassen."
Noch immer kam keine Antwort.
Unga ging langsam auf die Höhle zu.
„Habt ihr mich verstanden, ihr widerliche Linkshänder?" schrie er. „Antwortet endlich! Oder hat es euch die Sprache verschlagen?"
Neben der Höhle blieb er stehen. Er versuchte, sich nichts von seiner Erregung anmerken zu lassen. Jetzt kam der entscheidende Schritt. Unga schloß die Augen und trat vor die Höhlenöffnung.
Nun würde sich herausstellen, ob der Unsichtbare recht behielt. Unga erwartete jeden Augenblick eine Ladung Pfeile. Doch nichts Derartiges geschah.
Ein grelles Licht, heller als ein Blitz, blendete ihn für einige
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