087 - Gefangen in der Unterwelt
umsehen und dann zurückkehren."
„Scheint mir ziemlich riskant", warf Jeff ein.
„Das ist es auch", stellte ich fest. „Aber zerbrechen wir uns heute nicht den Kopf darüber. Warten wir ab."
Jeff blickte mich mißtrauisch an.
„Du scheinst dir keine besonderen Sorgen um unseren Steinzeitmenschen zu machen."
Langsam hob ich die Schultern.
„Ich habe das Gefühl, daß wir Unga bis jetzt unterschätzt haben. Wir ließen uns von seinen Manieren beeinflussen und nahmen ihn nicht für voll. Irgendwie hielten wir ihn alle für einen primitiven Menschen - für geistig unterentwickelt. Aber urtümlich bedeutet nicht primitiv. Erinnert euch daran, wie er sich in der Steinzeit verhalten hat. Wie rasch er sich auf neue Situationen einstellen konnte! Wir wissen nicht, wie seine weitere Entwicklung verlaufen ist, aber ich bin sicher, daß in ihm einiges steckt - und daß er Hekate einige Rätsel aufgeben wird."
Die Höhle der Linken hatte in Unga längst vergessene Erinnerungen geweckt. Er war in eine Art Trance gefallen. Die Erinnerung hatte ihn überwältigt - und dabei waren einige seiner Fähigkeiten geweckt worden. Er hatte die anderen an seinem Leben teilhaben lassen.
Plötzlich kehrte er in die Gegenwart zurück. Ein grelles Licht blendete ihn. Er bekam einen Stoß in den Rücken, taumelte vorwärts, und das grelle Licht verschwand.
Er öffnete die Augen und blickte sich verwundert um. Er stand in einer schmalen Höhle, deren Wände leuchteten.
Unga wußte, daß er sich nicht mehr in der Höhle der Linkshänder befand. Einen Augenblick zögerte er. Dann ging er langsam vorwärts. Er betrat einen schmalen Stollen, dessen Wände giftgrün leuchteten. Weit vor sich sah er eine Öffnung, und auf die ging er zu. Unga kletterte über einige Steinbrocken, trat durch die mannshohe Öffnung und blieb stehen.
Eine gespenstische Landschaft lag vor Unga. Sie war in ein geisterhaftes, diffuses Licht getaucht. Überall standen Felsen. Die meisten waren über zehn Meter hoch. Langsam hob er den Kopf und blickte den Himmel an. Dichte Nebelschwaden zogen über die Spitzen der Megalithen.
Kein Geräusch durchbrach die Stille. Unga blickte lange über die Alptraumlandschaft. Schließlich setzte er sich langsam in Bewegung und blieb vor einem der gewaltigen Steinbrocken stehen. Vorsichtig streckte er die rechte Hand aus und strich flüchtig über den scharfen Fels. Dieser fühlte sich eiskalt an.
Zögernd schritt er zwischen zwei Megalithen hindurch. Sie waren mit fremdartigen Mustern bedeckt, deren Bedeutung Unga nicht kannte.
Nach einigen Schritten blieb er vor einem etwas kleineren Stein stehen und stemmte sich mit aller Kraft dagegen. Der Megalith kippte ein Stück zur Seite. Unga lächelte zufrieden. Bedächtig schritt er weiter.
Immer wieder verstellten ihm umgekippte Steinnadeln den Weg. Oft standen die Megalithen so eng nebeneinander, daß sich Unga mühsam hindurchwinden mußte. Kein Mensch und kein Tier waren zu sehen. Der dichte Nebel sank immer tiefer. Unga konnte nur wenige Schritte weit sehen.
„Ich heiße dich in meiner Welt willkommen", sagte plötzlich eine Frauenstimme, die aus dem Nichts zu kommen schien.
Er wandte den Kopf, doch niemand war zu sehen. Der Steinzeitmensch ging ruhig weiter. Eine Stimme, die aus dem Nichts kam, konnte ihm keine Angst einjagen.
„Bist du nicht neugierig, wer ich bin und wo du bist?"
Unga antwortete nicht. Unbeirrt stapfte er weiter.
„Ich habe dich in eine Falle gelockt, Unga. Ich will von dir Informationen über Hermes Trismegistos. Du bist sein Vertrauter."
Eine schemenhafte Gestalt schwebte auf Unga zu. Der Nebel hob sich etwas. Es war eine Frau. Sie trug ein schillerndes, bodenlanges Kleid, das ihre Schultern und die Ansätze ihrer großen Brüste unbedeckt ließ. Flammendes rotes Haar fiel über ihren Rücken. Ihr Gesicht war oval und schneeweiß, und die Augen waren groß und dunkelgrün.
„Ich bin Hekate", sagte die Frau, „die Herrin der Schwarzen Familie."
Unga lehnte sich breitbeinig an einen der Riesensteine. Hekate hob beide Hände und klatschte sie zusammen. Dabei starrte sie Unga an. Ihre Lippen bewegten sich leicht, und sie flüsterte etwas, was Unga nicht verstand.
Für einen Augenblick zeigte Hekates Gesicht Verwunderung. Doch sofort hatte sie sich wieder in der Gewalt. Ihre Hände bewegten sich rascher. Ein lauter Krach ertönte, und Blitze zuckten auf Unga zu. Wirkungslos prallten sie ab.
Unga stieß sich ab und rannte auf Hekate zu, die
Weitere Kostenlose Bücher