0870 - Tabitas Trauerhalle
liegenbleiben. Einsam, verletzt, verlassen im Schlamm liegen und sterben?
Der Gedanke beunruhigte ihn. Er sorgte für eine noch stärkere Angst als die erste Überlegung, und die half ihm auf die Beine.
Weg von hier - hin zur Straße. Sich dort hinlegen und winken…
So viel ging ihm durch den Kopf. Er kam mit allem nicht zurecht, aber er brauchte ein Ziel.
Und er schaffte es.
Es war beinahe unmöglich, er benötigte schon übermenschliche Kräfte, um auf die Beine zu kommen, aber er blieb stehen und hatte somit schon viel erreicht.
Jim Wayne schöpfte Mut.
Jetzt zur Straße. Nur wenige Yards, eine lächerliche Entfernung, doch für einen Verletzten wie ihn die Hölle, denn er wußte genau, daß er, wenn er zuvor fiel, nicht mehr die Kraft haben würde, sich wieder aufzuraffen.
Ich muß auf den Beinen bleiben. Ich muß es einfach!
Und er blieb auf den Beinen. Jim Wayne erreichte den Rand der Straße, er blieb dort, er starrte in die Schleier hinein, und er wunderte sich darüber, daß sie plötzlich bunt waren.
Eine Halluzination? Schon Vorboten der Hölle, des Sterbens oder was auch immer?
Er fiel, er ging, er fiel - Wayne konnte es nicht mehr auseinanderhalten. Dann hörte er eine Männerstimme, die einen Fluch hervorpreßte, und er hörte sich auch selbst schreien.
»Tabita…«
Dann fraß ihn wieder das Loch!
***
Der Arzt hieß Dr. Morton. Er empfing Jane und mich im Krankenhaus. Er hatte dort seine Praxis, zu der ein kleines Wartezimmer und ein Büro gehörten. Ich hatte Jane Collins deshalb mitgenommen, weil es um Tabita ging.
Zufall - Fügung? Wir wußten es nicht. Aber die Dinge hatten sich verdichtet, und damit hatte ich nicht rechnen können. Am letzten Abend noch hatten wir über Tabita geredet, und dann war in der vergangenen Nacht etwas vorgefallen, das uns praktisch auf die Person stieß.
Nach dem Ende der Spätvorstellung war vor einem Kino eine an einem Motorrad befestigte Bombe explodiert. Es hatte mehrere Verletzte gegeben, leider auch zwei Tote, ein Mann und eine Frau, wobei die Frau allerdings verschwunden war. Jemand hatte die weibliche Leiche mitgenommen.
Die Diebin war während der Tat von einem pensionierten Polizisten namens Jim Wayne beobachtet worden. Dieser Mann hatte natürlich sofort Verdacht geschöpft. Er war in seinem Wagen der Frau gefolgt, mußte aber dann von ihr überrascht worden sein und war mit einem Messerstich niedergestreckt worden.
Daß er die Verletzung überlebt hatte, war einem Wunder gleichgekommen. Er hatte sich sogar noch bis zur nächsten Straße schleppen können und war dort von den Männern eines Anti-Terrorkommandos gefunden worden, die die Umgebung hatten abriegeln wollen.
Der Schwerverletzte war sofort in ein Krankenhaus geschafft worden. Auf der Fahrt dorthin im Krankenwagen hatte er viel gesprochen, trotz seiner lebensgefährlichen Wunde, und er hatte immer wieder von einer gewissen Tabita gesprochen.
Diese Sätze waren aufgenommen worden. Einer der Begleiter hatte einen kleinen Recorder mitlaufen lassen und sich damit nahe an der gesetzlichen Grenze bewegt. Aber für die Mitglieder der Spezialeinheit galten manchmal andere Regeln.
Mein Chef, Sir James Powell, aus einem Kurzurlaub zurückgekehrt, hatte am frühen Morgen auf seinem Schreibtisch zahlreiche Berichte vorgefunden. Unter anderem den über die Explosion der vergangenen Nacht und auch deren Folgen.
Ich hatte eine Kopie des Berichts erhalten. Es war so üblich, daß wir all die frischen Nachrichten der vergangenen Nacht kurz nach Dienstbeginn überflogen, und ich war fast wie eine Rakete von meinem Stuhl in die Höhe gesaust, als ich den Namen Tabita las.
Das war unser Glücksfall.
Ich hatte eine fieberhafte Aktivität entfacht, natürlich von meinem Chef unterstützt, und wir hatten herausgefunden, in welch einem Krankenhaus der Schwerverletzte lag. Dort war auch das Band abgegeben worden.
Der Rest war ein Kinderspiel. Sir James persönlich hatte sich mit Dr. Morton in Verbindung gesetzt und uns avisiert. Nun befanden wir uns in seinem Büro, wurden prüfend aus dunklen Augen angeschaut, die farblich im krassen Gegensatz zu dem sehr hellen Haar standen, das wie eine dünne Matte auf dem Kopf des Mannes wuchs.
Unser Erscheinen hatte keine große Begeisterung bei Dr. Morton ausgelöst. Ziemlich unleidlich hatte er uns angeschaut und uns zwei Stühle angeboten.
»Wie geht es dem Patienten?« erkundigte sich Jane zuerst.
Der Arzt schaute sie an. »Nicht gut.«
»Aber er
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