0872 - Der Templer-Friedhof
verändert. Die Soldaten waren verschwunden, der große Platz vor den unterschiedlich hohen Zelten lag leer. Auch an den Pfählen hingen keine Menschen mehr, trotzdem wurde Suko den Eindruck nicht los, daß es in der Nähe des Platzes trotzdem noch Menschen gab und er sie zwar spürte, aber nicht sehen konnte.
Wer…?
Das Feuer loderte plötzlich auf. Suko, der auf dem Knochensessel saß, schrak zusammen, als wäre er selbst von dem heißen Hauch der Flammen erwischt worden.
Er konzentrierte sich nur auf das Feuer oder wurde dorthin geleitet. Er konnte sehen - und glaubte seinen Augen nicht zu trauen, denn aus den Flammen stieg etwas hervor, ohne von ihnen verbrannt zu werden…
***
Der gefolterte Templer lag auf meinen Armen. Mit ihm bewegte ich mich auf das Zelt zu und konnte mich noch immer nicht an den Gedanken gewöhnen, den einzig Überlebende dieser grauenvollen Nacht über den Platz zu tragen.
Aber es stimmte. Die anderen waren tot, und der Abbé war damit beschäftigt, ihre Leichen abzudecken. Sollte uns genügend Zeit bleiben, wollte er sie sogar begraben. Aber darüber dachte ich nicht nach, als ich neben dem Feuer stehenblieb und einen Blick in die Flammen warf, die nicht mehr so hoch in die Höhe flackerten, weil sie in der letzten Zeit keinen Nachschub gekriegt hatten.
In ihnen war Mleh verschwunden!
Der Abbé und ich hatten sein Ende erlebt und nicht mehr erfahren können, zu welchen Untaten er zuvor fähig gewesen war. Es war schlimm, wir machten uns auch darüber Gedanken, aber es war leider nicht mehr zu ändern. Vielleicht würde uns der schwerverletzte Templer noch Auskunft geben können, darauf hofften wir.
Ich ließ das Feuer zurück und bewegte mich auf das größte der Zelte zu. Es bestand aus dunklem Stoff, stand an den beiden Enden hoch und war in der Mitte gesenkt. Auf mich machte es den Eindruck einer breiten Welle.
Es gab auch einen Eingang, einen offenen Schlitz, der breit genug war, um uns durchzulassen.
Ich stand nicht im Dunkeln, sondern sah die zahlreichen kleinen Feuer. Die dünnen Flammen tanzten auf und über mehreren Oberflächen einer öligen Flüssigkeit, die sich in den Metallschalen verteilt hatte. Es waren blasse Lichter und trotzdem ausreichend, um die Wohnlichkeit dieses Zeltinnern zu unterstreichen.
Man konnte zwar nicht von einer orientalischen Pracht sprechen, aber Sitzkissen verteilten sich ebenso wie zwei dick gepolsterte Sofas und ein halbrunder Diwan.
Mit den Flüssigkeiten zusammen mußten auch Kräuter verbrennen, denn ihr Geruch war wesentlich angenehmer als der Gestank draußen.
Auf den Diwan legte ich den verwundeten Templer. Seine Beinwunde hatte der Abbé mit einem Taschentuch so gut wie möglich verbunden, und er hatte die anderen Wunden und Schrammen gereinigt, aber nicht desinfizieren können, denn dazu fehlten uns die Mittel.
Der Mann hatte die Augen aufgeschlagen. Er schaute mir direkt ins Gesicht und versuchte sogar, etwas zu lächeln. Auf den eigenen Füßen zu stehen oder zu gehen, dazu war er nicht in der Lage.
Die Folter hatte ihn zu stark geschwächt und seine Knochen zu Glas werden lassen. Es waren ihm auch einige Zähne ausgeschlagen worden, und sein Gesicht war durch blutige Streifen gezeichnet.
Es ähnelte der Kriegsbemalung eines Indianers. An der Brust wiederholten sich die Wunden. Manche waren die Abdrücke des Brandeisens.
Der zweite Folterknecht war ebenfalls gestorben, das hatten der Abbé und ich festgestellt.
»Ich friere«, flüsterte der Mann.
»Es wird dir gleich bessergehen.« Ich strich ihm einige verbrannte Haarsträhnen aus der Stirn.
Er schloß die Augen. Über seine rissigen Lippen drangen die leisen Worte. »Wir waren im Auftrag von König Richard unterwegs. Er hat uns befohlen, den Verräter zu stellen, aber wir waren zu schwach. Wir haben nicht damit gerechnet, daß er zu einem so starken Führer herangewachsen war. Er hat viele von uns getötet und sie auf dem alten Templer-Friedhof begraben. Wir haben versagt.«
»Das habt ihr nicht. Ihr seid sehr tapfer gewesen.«
»Aber wir verloren.«
»Das ist nicht sicher.«
Er öffnete wieder die Augen. Der Blick war etwas klarer geworden, aber auch grüblerischer. Er schien über mich nachzudenken, und in der Tat bestätigten seine nächsten Worte dies. »Ich habe dich nie gesehen, Fremder, aber ich habe zu dir ein ungewöhnlich vertrautes Gefühl. Wie mag das kommen?«
»Weil ich auf deiner Seite stehe.«
»Dabei kenne ich nicht mal deinen Namen.«
»Ich
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