0872 - Der Templer-Friedhof
heiße John Sinclair.«
Er überlegte. »Woher kommst du? Aus dem Land der Gallier wie ich oder aus dem Reich König Richards?«
»Aus seinem.«
»Dann kämpfst auch du für ihn.«
Ich lächelte. »Indirekt schon, da hast du recht…«
»Was heißt indirekt? Ich kenne das Wort nicht.«
»Das ist unwichtig, aber darf ich deinen Namen vielleicht erfahren?«
»Ich heiße Godwin de Salier. Ich bin Bretone, aber ich werde meine wunderschöne Heimat niemals wiedersehen. Ich spürte, daß ich hier sterben muß.«
»Das glaube ich nicht.«
»Wer will mich retten?«
»Mein Freund und ich.«
»Dein Freund? Hat auch er einen Namen?«
»Abbé Bloch.«
»Ein Abbé?« staunte der Templer und mußte hüsteln. Ich hatte vorhin ein Wasserfaß gesehen, hob den Deckel ab und sah vor mir die schimmernde Flüssigkeit, auf deren Oberfläche einige Rosenblätter schwammen. Ich füllte Wasser in ein Gefäß und brachte es dem Verletzten. Auch eine Decke nahm ich mit, die ich über seinen Körper legte, der nur notdürftig bekleidet war. Godwin de Salier trank das Wasser in langsamen Schlucken. Es tat ihm gut. Er konnte den Becher kaum in seinen zerschundenen Händen halten, und ich hörte, wie er schluckte.
Am Eingang bewegte sich der Stoff. Der Abbé betrat das Zelt. Er blieb ebenfalls verwundert stehen, denn mit einer derartigen Einrichtung hatte er nicht gerechnet.
»Wenn man der Chef ist, kann man es sich erlauben«, sagte ich.
»Ja, das sehe ich auch.«
»Und?«
Er kam schulterzuckend auf den Diwan zu. »Ich habe mich noch einmal umgesehen. Sie sind alle geflohen - alle. Ihre Waffen müssen sie in ihrem Zauberglauben bestärkt haben.«
»Das vermute ich auch.«
Godwin hatte das leere Gefäß sinken lassen. Ich nahm es ihm aus den Händen und stellte es weg.
Der Verletzte schaute an mir vorbei und Bloch an.
»Bist du der Abbé?«
»Ja.«
»Auch dir gebührt mein Dank«, sagte er leise. »Aber laß mich nicht im unklaren. Woher kommst du? Welche Komturei leitest du?«
»Ich komme aus Alet-les-Bains.«
»Das ist im Süden.«
»Stimmt.«
»Es ist die Hochburg unseres Ordens. Bist auch du ein Streiter für König Richard?«
Als der Abbé mein Nicken sah, stimmte er zu.
De Salier überlegte. »Ich habe etwas sehen können«, sagte er zu mir gewandt, »was ich nicht glauben kann. Du hast diesen Armenier vertrieben, mit einem Kreuz - oder?«
»Das ist so gewesen.«
»Gehört es wirklich dir?« Plötzlich lag Mißtrauen in seiner schwachen Stimme.
Ich hatte mit einer derartigen Frage zwar schon längst gerechnet, mir aber noch keine Antwort zurechtgelegt, da ich intuitiv handeln wollte. »Du kennst das Kreuz?« fragte ich ihn.
Seine Antwort kam zögernd, als müßte er noch genau darüber nachdenken. »Ja, es hat Richard gehört.«
»Richtig.«
»Warum hast du es? Wurde es gestohlen?« Er schaute mich an. Zweifel lagen in seinem Blick. Er hatte mich nicht gefragt, ob ich es dem König weggenommen hatte.
»Nein, das habe ich nicht. Dieses Kreuz habe ich geerbt.«
Godwin de Salier glaubte mir, was seine nächste Antwort bewies. »Dann muß Richard tot sein!«
Es war die einzige logische Schlußfolgerung für ihn, und wir konnten ihm auch keinen Vorwurf machen. Nur wußte ich nicht, wie ich mich verständlich aus der Affäre ziehen sollte. Er würde kaum begreifen, wer wir waren.
Der Abbé half mir. »Es ist schwierig, dir das zu erklären«, sagte er, »aber wie du sicherlich weißt, gibt es eine Zukunft.«
»Bitte…?«
»Nun,; die Zeiten gehen weiter. Die Jahre bleiben nicht stehen. Jahre verstreichen, Hunderte von Jahren, und es wird auch dann noch Menschen geben. Sie haben sich zwar verändert, sie kleiden sich anders, sie wohnen anders, sie werden auch nicht mehr auf Pferden reiten, sie führen ihre Kriege auch anders, aber es sind immer noch Menschen. Und manche von ihnen beschäftigen sich mit wichtigen Dingen, die im Sand ihrer Vergangenheit begraben liegen. So ist es auch mit John. Er lebt in der von mir erklärten Zukunft, aber er ist eng mit der Vergangenheit verbunden.«
»Mit dem König?«
»Ja, denn das Kreuz des Königs hat viele Stationen und Leben durchlaufen, bis es bei John landete.«
Godwin de Salier hatte mich die ganze Zeit über angeschaut und deutete nun ein Nicken an und flüsterte: »Ich glaube dir.«
Die schlichten und ehrlichen Worte des Templers rührten mich. Ich mußte ihm einfach die Hand drücken, was auch ihm gefiel, denn er lächelte. Der Abbé dache in diesen
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