0873 - Gabentisch des Grauens
über irgendwelche Probleme nachdachte, aber zu keiner Lösung gelangte.
Bildete sie sich die Dinge nur ein, oder waren sie tatsächlich anders geworden?
Sheila ging zum Kühlschrank. Sie holte die Flasche Wasser hervor und trank aus ihr. Viel besser ging es ihr danach nicht. Doch Durst hatte sie nun nicht mehr.
In der Küche hielt sie es nicht mehr aus. Mit schnellen Schritten ging sie zur Haustür, öffnete sie mit einem Ruck, weil sie nach Johnny sehen und gleichzeitig wieder zurückrufen wollte. Sie glaubte daran, daß es schlecht war, wenn er jetzt fuhr und sich in eine Gefahr begab.
Er war schon am Tor, das offenstand. Ohne sich herumzudrehen, fuhr er hindurch und schlug den Weg nach links ein.
Sheila atmete durch. Sie betrachtete die Gänsehaut, die sich nun auch auf ihren Armen ausgebreitet hatte. Dabei versuchte sie sich einzureden, daß die Dinge okay waren. Daß sie nur an einer Einbildung litt.
Sheila schaffte es nicht.
Mit müde wirkenden Schritten ging sie zurück ins Haus und lehnte sich im Flur gegen die Wand.
Warum kann ich mich von diesen Gedanken nicht befreien? fragte sie sich. Eine Antwort konnte sie nicht geben, aber sie fror wie im tiefsten Winter…
***
So wie seine Mutter dachte Johnny natürlich nicht. Okay, auch er war nicht eben locker und cool wie sonst, die Vorgänge der jüngsten Vergangenheit hatten ihn schon beeindruckt, aber er hatte es geschafft, sie zu verdrängen. Außerdem wußte er Marty in guten Händen. Sein Patenonkel John war bekannt dafür, daß er sich gern mit derartigen Fällen beschäftigte.
Johnny mußte lächeln, als er daran dachte. In der letzten Zeit hatte er den besten Freund seines Vaters nicht allzu oft gesehen. Früher war das mal anders gewesen, da hatte auch noch Nadine, die Wölfin mit der Seele eines Menschen, bei den Conollys gelebt. Durch sie war die Familie in manch extreme Situation geraten, der sie manchmal nur mit Glück entkam.
Das aber lag hinter ihnen. Es gab nur den Blick nach vorn. Johnny mußte seine Schule durchziehen, die Erinnerung an Nadine verschwand zwar nicht, aber sie verblaßte schon, und der Junge hatte es geschafft, ein normales Leben zu führen, auch wenn eine latente Gefahr nach wie vor da war. Das betraf mehr seinen Vater, der sich auch beruflich mit den Phänomenen beschäftigte. Er schrieb schließlich für verschiedenen Zeitschriften, und seine Berichte gehörten immer zu den besten.
Johnny wunderte sich, daß er während der Fahrt an seine Eltern denken mußte. Das wäre ihm sonst kaum in den Sinn gekommen, und die eigenen Gedanken kamen ihm wie ein Abschied vor.
»Quatsch«, murmelte er, trat fester in die Pedale und huschte durch das Sonnenlicht. Das Laub der Bäume filterte das Licht, so daß sie einem Wechselspiel aus Licht und Schatten ausgesetzt war. Der Junge wollte nicht auf dieser Straße bleiben. Wer hier lebte, der kannte auch die Schleichwege wie Johnny.
Sie führten an den oft großen Grundstücken entlang, waren im Sommer überwuchert, wurden von Mauern oder Zäunen- begrenzt und schnitten auch durch kleine Parks und Grünflächen.
Geduckt saß Johnny auf dem Rad. Er wollte nicht von tiefhängenden Zweigen gepeitscht werden. Er mußte sich auf den Weg konzentrieren, radelte an den Grundstücken entlang, hörte hier und da mal eine Stimme oder das Klatschen eines Wasserspenders. Auch erreichte mal der eine oder andere Musikfetzen seine Ohren. Das alles waren Geräusche, die ihn nicht ablenkten. Er konzentrierte sich dabei auf seine Fahrt durch ein dicht bewachsenes Stück Natur und erreichte sehr bald einen Park, in dem mehrere weiße Bänke standen. Sie alle waren leer.
Der Boden war flach und mit dichtem Gras bewachsen. Johnny radelte über ihn hinweg wie über einen Teppich. Das Zentrum des Parks bildete eine Linde. Ihre Zweige beschützten auch die Bänke, gaben Schatten, durch den Johnny fuhr.
Bis ihn der Schlag erwischte.
Es war ein Treffer gegen den Hals. Der Junge wußte nicht, wie ihm geschah. Plötzlich war er aus seiner Ruhe herausgerissen worden. Die Welt um ihn herum riß wie ein Film, und er wunderte sich, daß sein Rad plötzlich allein weiterfuhr.
Es wollte ihm nicht in den Sinn, wieso das hatte geschehen können. Als er jedoch auf dem Boden aufschlug, da fiel auch das Rad. Johnny schlug mit der rechten Seite zuerst auf, war etwas benommen und spürte am Nacken einen heftigen Schmerz, der nicht vom Aufprall stammte. Da hatte ihn etwas getroffen und aus dem Sattel
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