0874 - Das Tier
Gehirn. Er breitete sich aus, und es übernahm die Kontrolle. Es war gierig nach der menschlichen Psyche, es wollte das Gute löschen und das unsagbar Böse hineinpflanzen, um endlich die Kontrolle zu haben.
Johnny spürte keine Schmerzen. Er konnte sich auch schlecht erklären, was mit ihm geschah, er hatte nur den Eindruck, daß alles Positive aus seiner Seele entfernt werden sollte. Toleranz, Hilfsbereitschaft, die Liebe zu den Eltern und Freunden, all das sägte die andere Kraft aus seinem Gehirn, um einen freien Raum zu schaffen, damit sie ihre Bösartigkeit hineinstopfen konnte.
»Dein Gehirn wird mir gehören, nur mir. Ich bin dein Herr. Ich werde dir sagen, was du zu tun hast! Hast du gehört, Johnny? Ich werde es dir sagen!«
»Ja«, flüsterte er.
»Wunderbar, Johnny. Wir werden noch Freunde werden!«
Die Gedanken waren wir eine böse Stimme, die Johnnys gesamten Kopf erfaßte. Sein eigenes Denken war längst ausgeschaltet worden. Trotzdem schaffte er es, die Augen für einen Moment zu öffnen. Auch wenn er das Tier nur für kurze Zeit sah, erkannte er doch, wie sehr sich die Haltung verändert hatte.
Es hockte nach vorn gebeugt auf seinem Stuhl, und die seltsamen Haarantennen auf seinem Kopf waren ebenfalls in Johnnys Richtung geneigt, als wären sie es, die diese Gedanken transportierten.
Ihm fielen die Augen wieder zu, und schon waren die anderen Gedanken da. »Es wird dir Spaß bereiten, andere Menschen zu töten. Du wirst den neuen Gesetzen gehorchen, die in der Hölle oder wo immer auch geschrieben worden sind. Du wirst deine Eltern nicht mehr als solche anerkennen, denn du wirst anfangen, sie zu hassen. Du wirst alle Menschen hassen, die nicht zu uns gehören, und wen man haßt, den darf man nicht mehr am Leben lassen. Der muß getötet werden. Marty, mein Bruder, hat es bei dir versucht. Und was man dir angetan hat, das wirst du auch anderen antun. Ich werde dafür sorgen, daß du dir zuerst deine Eltern vornimmst. Du gehst zu ihnen, wenn sie schlafen. Du wirst dir ein großes Messer nehmen, das größte, das du finden kannst, damit wirst du dann zuerst deine Mutter töten und anschließend deinen Vater. Und du wirst glücklich sein, wenn du es getan hast…«
Die ungewöhnliche Stimme redete weiter, und Johnny saugte jedes Wort auf.
Er war nicht mehr er selbst. Er schwebte in einem Zustand zwischen Gut und Böse, wobei die eigentlichen, positiven Kräfte noch nicht völlig verschwunden waren, aber immer stärker abnahmen, je mehr und länger das Tier auf ihn einredete.
Johnny wurde zu seinem Opfer, zu seinem Diener. Die Umgebung nahm er nicht mehr wahr, dafür hatte er seine Sinne verloren, aber überdeutlich hörte er Susan Stones Stimme.
»Es klappt, es geht gut. Ich spüre es.« Ein scharfes Lachen. »Es ist alles so wunderbar. Wir haben die Schale des Menschen durchbrochen. Wir können sie in unserem Sinne manipulieren. Das Experiment hat geklappt, und du bist der erste. Mach weiter, mach weiter. Ich will, daß er mit einer anderen Stimme spricht…«
Susan war nicht zu halten. Sie wußte, daß die endgültige Entscheidung kurz bevorstand. Sie hatte es schon einmal bei Marty erlebt, und sie war glücklich gewesen, als er mit einer anderen Stimme gesprochen hatte. Dabei wußte sie nicht mal, welche Stimme es gewesen war. Vielleicht war sie tief in der Seele des Tiers vergraben gewesen und nur durch den Kontakt mit den Menschen hervorgekommen, aber es gab sie, und sie wartete darauf, daß auch Johnny redete.
War es soweit?
Sie schaute sich den Jungen genau an.
Dessen Gesicht war sehr bleich geworden. Man konnte es auch als blutleer bezeichnen. Auf der Stirn lag der Schweiß in zahlreichen Tropfen. Die Lider über den Augen zuckten, als die fremden Gedanken durch seinen Kopf zuckten. Die Lippen zitterten, preßten sich dann für einen Moment zusammen, um sich später wieder zu öffnen. Susan Stone wartete. Der Augenblick war nahe.
Er mußte mit einer fremden Stimme sprechen. Wenn das eintrat, dann hatte es das namenlose Tier geschafft. Und Johnny sprach!
Nicht mit seiner Stimme, mit einer fremden.
Susan wollte jubilieren.
Sie tat es nicht.
Statt dessen schrie sie gellend auf, denn Johnny sprach mit der Stimme einer Frau!
***
Wir saßen bei den Conollys, und keiner von uns wäre auf den Gedanken gekommen, sich hinzulegen und zu schlafen. Sheila hatte Kaffee gekocht. Sehr schwarz und sehr stark.
Die Brühe hielt uns wach, doch auch ohne sie wären wir nicht eingeschlafen. Die
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