0875 - Die Rückkehr des Jägers
von unsichtbaren Fäden gehalten einen Meter über dem Boden und wehrte sich mit aller Macht gegen den Ruf. Für einen kurzen Moment verschwammen ihre Konturen wieder, bevor sie komplett sichtbar wurde.
Sie hatten es geschafft. Stygia, die Fürstin der Finsternis war in ihrer Gewalt.
Doch der Jäger hatte keine Zeit, sich über den Triumph zu freuen. Mit einem gewaltigen Knall zerbarsten alle Scheinwerfer und Kameralinsen auf einmal. Gleichzeitig wurden die Studiowände durchsichtig und schienen sich dann völlig aufzulösen. Jean wunderte sich nicht darüber, dass das Dach trotz der fehlenden Stützen wie von Zauberhand in der Luft gehalten wurde. Zu sehr verstörte ihn das, was er außerhalb des Studios sah.
Das Industriegebiet am Rande von Paris war verschwunden. Stattdessen befanden sie sich inmitten einer karstigen, unwirtlichen Landschaft, die von einer unsichtbaren Quelle in ein unwirkliches rotes Licht getaucht wurde. Den Horizont begrenzte eine Bergkette aus Feuer speienden Vulkanen, und am Himmel kreisten riesige, drachenartige Kreaturen.
Sie waren in der Hölle.
***
»Und ich dachte schon, es könnte nicht mehr schlimmer kommen«, stöhnte Nicole. Voller Abscheu betrachtete sie das Wesen, das sich unvermittelt vor ihnen materialisiert hatte. Lucifuge Rofocale trat in seiner üblichen Teufelsgestalt mit großen Hörnern und gewaltigen ledrigen Schwingen auf.
Angewidert rümpfte Nicole die Nase. »Du solltest wirklich dein Parfüm wechseln, Luci. Mit dem Schwefelduft kriegst du nie eine Frau.«
»Hüte deine Zunge, Duval, sonst zerreiße ich dich auf der Stelle«, zischte Satans Ministerpräsident.
»Als wenn du aus einem anderen Grund hergekommen wärst. Muss ja ein tolles Gefühl sein, uns wehrlos vor dir zu haben.«
»Ich gebe zu, der Gedanke ist verlockend«, gab Lucifuge Rofocale zu. »Aber wir werden unsere Rechnung ein anderes Mal begleichen. In der Ewigkeit bleibt Zeit genug für unseren kleinen Krieg. Diesmal will ich etwas anderes von euch.«
»Und was könnte das sein?«, fragte Zamorra grimmig. Der Dämonenjäger hatte nicht vergessen, wie ihn der Höllenfürst mit dem Buch der 13 Siegel in eine tödliche Falle gelockt hatte. Das dämonische Buch hatte Zamorra völlig in seinen Bann geschlagen und ihn von seinen Freunden und insbesondere von Nicole entfremdet. In letzter Sekunde hatten die Dämonenjäger mit vereinten Kräften den teuflischen Plan vereiteln können.
Zamorra wurde immer noch schwindelig, wenn er nur daran dachte, auf welch wahnwitzigem Irrweg er sich monatelang befunden hatte. Und jetzt stand derselbe Lucifuge Rofocale vor ihm und bat um Hilfe? Der Dämonenjäger konnte es kaum fassen.
Doch der Ministerpräsident der Hölle tat so, als sei nichts geschehen. »Fournier!«, sagte er schlicht.
»Was ist mit ihm?«
»Er muss aufgehalten werden, sonst gerät das Gleichgewicht zwischen Erde und Hölle in Gefahr. Und dann könnte ich für nichts mehr garantieren.«
Verdammt, ich habe es dir gesagt, Jean!, dachte Zamorra grimmig. Doch äußerlich gab er sich völlig unbeeindruckt. »Jean Fournier ist unser Freund. Warum sollten wir ausgerechnet dir helfen und ihm in den Rücken fallen? Alles, was der Hölle schadet, ist gut für uns.«
»Glaubst du, Zamorra? Fournier ist nur eine Marionette in diesem Spiel. Er hat keine Ahnung, auf was er sich da eingelassen hat.«
»Soweit waren wir auch schon«, erwiderte Nicole spitz. »Doch das macht uns noch lange nicht zu deinen Verbündeten.«
Das sah Zamorra genauso. Doch möglicherweise besaß Lucifuge Rofocale Informationen, die sie dringend brauchten. Es konnte nicht schaden, ihn weiter auszufragen. »Und worauf hat er sich eingelassen? Was steckt hinter dieser ganzen Scharade?«
Der Erzdämon lächelte grimmig. »Gautard will Stygia töten.«
Stygia, ausgerechnet , durchfuhr es Zamorra. O Gott, Jean, ging es nicht eine Nummer kleiner?
»Vor 40 Jahren musste er mit ansehen, wie sie seine Eltern in die Hölle entführt und getötet hat«, fuhr Lucifuge Rofocale fort. »Er wäre selbst in den Schwefelklüften umgekommen, wenn er sich nicht mit den Batui verbündet hätte. Seit seiner Rückkehr kennt er nur ein Ziel: Rache!«
»Ich wünsche ihm viel Glück dabei«, sagte Gryf. »Eine Bestie weniger, mit der wir uns rumschlagen müssen.«
»Was kümmert dich das eigentlich?«, fragte Zamorra. »Du und Stygia, ihr seid nicht gerade Busenfreunde.«
Das dröhnende Lachen des Erzdämons ließ die Kerkerwände fast erbeben.
Weitere Kostenlose Bücher