0876 - Der Dämon von Nigeria
aufgetaucht. Weitere Diener erschienen und begannen, den Versammlungssaal umzubauen. Ein großer Tisch wurde aufgebaut, der aus einem anliegenden Raum herbeigeschafft wurde. Das Holz sah alt aus und war fleckig, voller Kerben. Als Zamorra genauer hinsah, schnürte sich ihm die Kehle voller Ekel zu. Die Flecken waren in die Maserung des Holzes eingetrocknetes Blut. Dies war ein Opfertisch, und Zamorra wollte nicht wissen, wie viele Unschuldige darauf ihr Leben hatten lassen müssen. Die Schergen hatten ihm nun auch die Fußknöchel aneinander gefesselt und ihn gegen eine Wand gestellt. Tatenlos musste er den Vorbereitungen für ein Opferritual zusehen. Zamorra waren diese grausamen und brutalen Zeremonien nicht fremd. Er hatte genügend Gegner gehabt, die ihre finstere Macht auf den Tod willenloser Unschuldiger aufgebaut hatten. Die Lebensenergie, die vitale Kraft eines Menschen, war eine zu willkommene Quelle, als dass die bösen Mächte dieser Welt sich ihrer nicht versichern wollten. Die Gnadenlosigkeit, die ein solches Ritual beinhaltete, war nur einer der abstoßenden Aspekte. Von allen Praktiken des Bösen, mit denen der Professor in seinen Kämpfen konfrontiert worden war, wirkten Menschenopfer immer noch besonders erschütternd auf ihn. In gewisser-Weise war er dankbar dafür, dass er noch nicht abgestumpft war. Das bewahrte ihn aber nicht vor der emotionalen Aufruhr, die ihn förmlich schüttelte, als er sich auszumalen begann, was in Kürze hier stattfinden würde. Angst und Verzweiflung, aber auch Wut und Hass vermischten sich zu einem emotionalen Cocktail, und Zamorra trug einen kurzen, letztlich aber siegreichen Kampf mit sich selbst aus. Um von hier zu entkommen, musste er einen kühlen Kopf bewahren, was angesichts der vorherrschenden Temperaturen bereits schwierig genug war.
Zamorra schaute auf, als Malborough den Raum betrat. Er trug einen hölzernen Kasten bei sich, und der Professor musste nicht lange raten, um zu erahnen, dass sich in ihm verbarg, was immer er aus dem Tresor seines Hauses mitgenommen hatte.
»Ah, sehr gut!«, begrüßte Ekeke ihn und nahm den Kasten entgegen. Dann winkte er Zamorra fröhlich zu. »Wie gut, dass manche historischen Entwicklungen an Orten enden, zu denen sie gehören - und das fast ohne mein Dazutun. Dies hier…«, er wies auf den Kasten, der nun neben ihm in der Luft schwebte, »… habe ich vor über 200 Jahren begonnen und es ist mir im Verlauf der Zeit mehrfach abhandengekommen. Mein guter Freund hier hat mir mit seiner Wiederbeschaffung geholfen, und dafür habe ich ihn unsterblich gemacht.«
Ekeke nickte dem völlig ungerührt Dastehenden kurz zu.
»Nun ja, fast unsterblich. Kehrt er nicht bisweilen zur Quelle seiner Existenz, zu mir, zurück, vor allem in den Phasen, in denen er sich seines Zustandes gar nicht bewusst ist, überfällt ihn plötzliche Schwäche. Aber das ist vorbei, denn ich behalte ihn nun bei mir.«
»Er ist ein Zombie!«, stieß Zamorra hervor.
Ekeke wackelte mit dem Zeigefinger, die hektische Betriebsamkeit um sich herum weitgehend ignorierend.
»Er ist unsterblich. Wenn ich ihn lasse«, fügte er augenzwinkernd hinzu. Der Fette schien prächtige Laune zu haben. Das verstärkte Zamorras Unwohlsein nur noch. Und er machte nicht den Fehler, die gute Laune mit mangelnder Vorsicht oder drohendem Übermut zu verwechseln. Er wusste nicht, was Ekeke mit den »200 Jahren« gemeint hatte, aber seine Erfahrung verbot ihm, das als bloße Aufschneiderei abzutun.
Schließlich schienen die Vorbereitungen weitgehend beendet worden zu sein. Die Diener des Magiers zogen sich in eine Hälfte des Raumes zurück. In der Mitte bildeten sie eine Gasse. Durch diese kamen nun weitere Männer. Bei ihrem Anblick schnürte sich Zamorra die Kehle zu. In ihrem Armen hielten sie die leblosen Körper von Kindern. Erst hielt Zamorra sie für tot, aber dann sah er sanfte Atembewegungen. Sie standen offenbar unter dem Einfluss von Beruhigungsmitteln. Dann sah er, wie junge Frauen hineingeführt wurden, alle mit einem fröhlichen Lächeln auf den Lippen. Mit Entsetzen erkannte Zamorra auch seine »Prinzessin«, die sich in einer Reihe mit den anderen Frauen vor Ekeke niederkniete. Auch sie gehörte also zu den Opfern dieses perversen Rituals.
Zamorra überlegte sich, ob er es wagen konnte, Merlins Stern zu sich zu rufen. Er war sich nicht sicher, ob das überhaupt gelingen würde, aber was viel schwerer wog: Was würde er mit dem Amulett gegen Ekeke ausrichten
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