0876 - Der Dämon von Nigeria
Mitte des Raumes sah er einen Mann. Er hatte eine graubraune Hautfarbe und war ungeheuer fett. Er trug ein wallendes, weißes und völlig schmuckloses Gewand, das in starkem Kontrast zu den reichen Verzierungen auf dem von Zamorras Prinzessin stand. Sein Hals war kaum zu erkennen, der breite Schädel schien direkt auf einer massigen Fettwulst zu ruhen. Er hielt die Augen geschlossen und wirkte fast wie ein Buddha.
Dieser Eindruck wurde dadurch verstärkt, dass er in der Luft schwebte.
»Professor«, drang die Stimme der Prinzessin an sein Ohr. »Dies ist der große Ekeke, unser Meister.«
Beim Klang seines Namens öffnete der Mann seine Augen. Schlagartig wurde der Eindruck eines gutmütigen, in sich ruhenden Buddha zur Seite gewischt. Ekeke hatte alte Augen. Zamorra kannte diesen Blick, er hatte ihn bei vielen gesehen, die weit länger als das menschliche Maß gelebt hatten. Doch noch mehr als Alter war darin zu lesen: Gier und Hass sprangen Zamorra förmlich entgegen. Nein, mit Gautama Buddha hatte diese Person wahrlich nichts gemein.
»Ah, Professor Zamorra. Du kannst gehen, Falilat.«
Die Prinzessin, die offenbar auf den Namen Falilat hörte, verneigte sich und verschwand lautlos.
»Professor, Professor. Ich habe von Ihnen gehört«, wandte sich der Fette nun an ihn. Er verfügte über eine ausdrucksstarke, sanfte Stimme. »Es wäre jedoch gelogen, wenn ich behaupten würde, Ihre Gegenwart würde mich erfreuen.«
»Das Miss vergnügen ist ganz auf meiner Seite«, erwiderte Zamorra trocken.
»Gut, gut, ein gewitzter Mann!« Ein leises Kichern ertönte und durchzog den Leib Ekekes wie Wellen. Sein Körper schwabbelte im Einklang mit dem Geräusch.
»Wie schade, dass ich Ihren Wortwitz nicht lange werde genießen können«, meinte er dann ohne jedes Bedauern in der Stimme. »Denn Sie werden noch heute Nacht einen langen und grausamen Tod sterben.«
Wieder kicherte Ekeke.
Diese Aussicht schien ihn außerordentlich zu erfreuen.
***
Awales Trupp war wieder aufgebrochen. Der Eso hatte sein Versprechen gehalten und den Verletzten mit einem Pferd entlassen. Der Mann hatte wohl bis zuletzt sein Glück nicht fassen können und war trotz seiner Verletzung mit erstaunlichem Eifer da vongeritten. Awale ging nicht davon aus, ihn jemals in der Gefolgschaft Ekekes wiederzusehen.
Die Informationen, die der Mann gegeben hatte, waren vielversprechend und klangen glaubwürdig. Wenn das alles stimmte, dann hatte der abtrünnige Priester zwei grundlegende Probleme: Ein Personalproblem, vor allem, was kampfeswillige Männer anging, sowie ein Versorgungsproblem, da keine Frau einen seiner Männer heiraten wollte. Sie befürchteten, und das nicht ohne Grund, dass ihre Kinder und natürlich sie selbst vor den dunklen Ritualen Ekekes nicht sicher waren. Ekekes Gemeinschaft überlebte durch Handel und den Einsatz der nicht unbeträchtlichen Geldmittel, die der Usurpator bei seiner Flucht aus Oyo hatte mitgehen lassen. Da er daraus auch die sicher nicht unbeträchtlichen Bestechungssummen zahlen musste, die verhinderten, dass der Oba von Eko sich seiner ernsthaft annahm, waren diesen Mitteln Grenzen gesetzt, und das Ende der Zahlungsfähigkeit schien nicht weit entfernt zu sein. Ekeke stand unter Zeitdruck, und Awale gedachte, die Situation zu nutzen. Der gescheiterte Angriff auf ihn war ein Indiz dafür, dass der Usurpator die Verfolgung durch den Gesandten des Imperiums fürchtete, und gerade dieses Scheitern würde aus Awale eine ernsthafte Bedrohung für ihn machen.
Im Laufe des Tages war noch eine weitere Entwicklung dazugekommen: Aus den umliegenden Dörfern waren Männer zu der Anhöhe gekommen. Der Sieg gegen Ekeke hatte sich rasch herumgesprochen. Schauerliche Geschichten hatten sie dem Eso vorgetragen, vor allem über Kindesentführungen. Awale hatte sich das Wehklagen aller angehört. Er nahm sich fest vor, beim Alafin wegen der offensichtlichen Untätigkeit des hiesigen Oba vorstellig zu werden. Eko mochte unabhängig sein, doch niemandem war es gestattet, einem Feind des Reiches auf so augenscheinliche Art und Weise Zuflucht zu gewähren. Schließlich hatte Awale die Männer aufgefordert, sich an dem Feldzug gegen Ekeke zu beteiligen. Bald hatten sich gut 30 Männer seinem Trupp angeschlossen. Awale teilte sie in Vierergruppen mit je einem seiner Kämpfer als Anführer. Sie waren alle auf die eine oder andere Art bewaffnet, sehr oft mit Bögen und Speeren. So kam der Eso zu seiner eigenen Infanterie, die immerhin
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