0876 - Die unheimliche Macht
Raum hinein. Sie öffnete zuerst die schmale Tür an der linken Seite, wo sich das nachträglich eingebaute Bad befand.
Es war leer.
Die grünen Kacheln wirkten auf sie wie kalte Augen. Der Vorhang der Dusche war zurückgezogen worden. Auf dem Boden der Duschschüssel hatte verdunstendes Wasser kalkige Flecken hinterlassen.
Dean war schon in den Wohnraum gegangen. Auch hier hatte er das Licht eingeschaltet. Er stand vor dem Fenster und schaute hinaus. Viel war nicht zu sehen, denn auch bei Tageslicht wäre sein Blick gegen die Mauer gefallen, die sich an der Rückseite des Hauses hinzog und einen kleinen Hof abteilte. Es fiel nur Licht über die Mauer hinweg, und sein Schein traf auch nur die Hälfte der breiten Fensterscheibe. Selbst im Sommer war es in der Wohnung düster.
Die Einrichtung bestand aus einem alten Sofa, einem Tisch und verschiedenen Stühlen. An den hellen Wänden klebten Poster der besten Maschinen der Welt, aber Dean hatte in dieser späten Nacht keinen Blick für seine Lieblinge. Er ging zu einem Regal, wo die Flaschen standen. Direkt unter den Fachbüchern für Motorräder. Gläser holte er aus dem Raum, der den Namen Küche nicht verdiente. In einem durch einen Vorhang abgetrennten Raum befanden sich Kühlschrank, Kochplatte und Spülbecken. Eine winzige Spüle gab es ebenfalls, unter ihr stand die Tür des kleinen Schranks offen. Dean Kolly hatte darin seinen Abfalleimer gestellt. Er nahm die beiden Wassergläser mit und hielt die Flasche hoch, damit die auf der Couch sie sehen konnten. »Ist dir Wodka recht?«
Sie nickte. »Mir ist eigentlich alles recht in dieser beschissenen Situation.«
»Okay.«
Er goß die Drinks ein und gab sich großzügig. Dann setzte er sich neben Polly auf die Couch. Das Mädchen war in Gedanken versunken. Sie umfaßte das Glas, hob es an und trank die ersten Schlucke. Dabei schüttelte sie sich, aber sie trank noch mehr, bevor sie das Glas wieder auf den Tisch stellte.
»Was denkst du?«
Polly lachte. »Ich? Himmel, was soll ich denken? Ich weiß doch nichts. Aber ich frage mich, was uns passiert ist, Dean, und wie einschneidend es noch sein wird für unser weiteres Leben.«
Der junge Mann hob die Schultern. »Da kann ich dir leider auch keine Antwort geben.«
Sie mußte schlucken, denn der Wodka brannte in Kehle und Magen.
»War es wirklich ein UFO?«
»Weiß nicht…«
»Haben wir tatsächlich gesehen, wie zwei Gestalten durch die Kraft des Lichts in die Höhe gehievt worden sind?«
»Eingebildet haben wir uns das nicht«, murmelte Dean Kolly tonlos. »Und blind bin ich auch nicht.«
»Das stimmt.«
»Also ist es so gewesen.«
Polly stöhnte auf. Sie umfaßte wieder ihr Glas. »Verdammt, ich kann es nicht glauben. Das hat es bisher nur im Kino gegeben oder in Romanen, aber doch nicht in Wirklichkeit!« Sie hob mit einer hilflosen Bewegung die Schultern.
»Eingebildet haben wir es uns nicht.«
»Leider, Dean. Ich wollte, es wäre so gewesen. Das hätte mich gefreut. Aber ich denke, daß wir uns mit den Tatsachen auseinanderzusetzen haben. Wir sind Zeugen dieser Begegnung geworden. Vor unseren Augen schwebte das Licht, wir haben das komische Raumschiff zumindest ahnen können, und das ist alles.«
»Es reicht.« Mit einem Ruck leerte Dean sein Glas und schüttelte sich. »Es reicht schon, verdammt!«
»Wofür?«
»Was weiß ich.«
Polly schaute ihren Freund skeptisch an. »Los, Dean, raus mit der Sprache! Du weißt etwas. Du verheimlichst mir doch gewisse Dinge. Du kannst mir nicht erzählen, daß du…«
»Es ist ja eigentlich Quatsch.« Er winkte ab. »Ich habe da mal was gelesen. Ist schon Jahre her, und es war auch ein Roman. Da haben die Außerirdischen alle Zeugen vernichtet.«
Pollys Mund blieb offen. »Wie bitte?«
»Ja, vernichtet.«
»Genauer.«
»Sie wurden zerstrahlt.«
»O nein!«
»Das war im Roman.«
Damit hatte er Polly nicht beruhigen können. »Ob Roman oder nicht, Dean, was wir erlebt haben, ist so ähnlich gewesen, wie es sich die Autoren ausgedacht haben. Die Außerirdischen sind gekommen, wir haben Sie entdeckt, und sie werden auch uns gesehen haben.«
Dean sagt nichts. Er hielt den Kopf gesenkt. Polly hatte genau ins Schwarze getroffen, denn ihre Gedanken oder Befürchtungen waren auch die seinen gewesen. Er hatte versucht, sich davon zu befreien, aber er war trotz allem Realist.
Sie beide hatten die fremde Macht gesehen, und er fragte sich, ob es auch umgekehrt gewesen war.
Es lag durchaus auf der Hand, daß
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